Im Département Haute-Vienne in der Region Limousin, 200 Kilometer nordöstlich von Bordeaux im nordwestlichen Teil des Zentralmassivs und nordwestlich von Limoges liegt die französische Gemeinde Oradour-sur-Glane (okzitanisch Orador de Glana). Rund 2.300 Einwohner leben an diesem beschaulichen Ort, vom dem ein Teil bis heute ein Ruinendorf ist. Der Grund dafür ist ein besonders abscheuliches Verbrechen, das noch heute die Welt erschüttert. Am 10. Juni 1944 töteten SS-Angehörige insgesamt 642 Einwohner des Dorfes und brannten dieses nieder.
"Oradour" - in Frankreich jedem ein Begriff - steht bis heute als Symbol für eines der schwersten Verbrechen der Nazibesatzung im eigenen Land, für Gräuel und Kriegsverbrechen. Am Tag der Schande umstellten rund 150 Soldaten der 3. Kompanie des zur 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ gehörenden SS-Panzergrenadier-Regiments 4 „Der Führer“ das Dorf. Bataillonskommandeur Adolf Diekmann befahl, den Ort niederzubrennen und ohne Ausnahme alle Bewohner zu töten. Dafür trieb man die Dorfbewohner auf dem Marktplatz zusammen und teilte diese in Gruppen - also Männer, Frauen und Kinder ein. 400 Frauen und Kinder trieb man in die Kirche und brannte diese nieder. Die etwa 200 Männer setzte man in Garagen und Scheunen fest. Auf einen Signalschuss hin eröffneten die Soldaten gleichzeitig das Feuer. Im Anschluss wurden die Leichenberge ohne Rücksicht auf Überlebende mit Hilfe von Stroh angezündet.
1946 wurde das Ruinendorf zum historischen Denkmal erklärt. In den Jahren 1947 bis 1953 baute man das Dorf neben dem alten zerstörten wieder auf. Zwischen beiden Dörfern befindet sich der Friedhof von Oradour-sur-Glane (französisch Cimetière d’Oradour-sur-Glane), der mit Ausnahme eines Gebäudes, dem sogenannten Maison d'Oradour das Massaker und die Feuersbrunst nahezu unbeschadet überstanden hat. Heute ist dieser Platz neben der 1999 eröffneten Mahn- und Gedenkstätte mit angeschlossenem Dokumentationszentrum - das Centre de la mémoire - einer der meistbesuchten Orte in Frankreich, der meist den Abschluss der Besichtigung des Ruinendorfes bildet.
Die Vereinigung der Opferfamilien beschloss, wegen einer Generalamnestie für die Mörder von Oradour-sur-Glane kurze Zeit nach dem Prozess von Bordeaux 1953 aus Protest ein eigenes Denkmal für ihre ermordeten Angehörigen zu bauen und diese nicht im staatlichen Denkmal zu bestatten. Somit beherbergt der Friedhof zwei Denkmäler - ein staatliches, in dem seit 1974 Alltagsgegenstände der Opfer aus der Zeit vor dem Massaker zu sehen sind und das durch private Spenden finanzierte Denkmal für diejenigen Überreste der Ermordeten, die aufgrund der Leichenschändungen und der Verbrennungen nicht mehr zugeordnet werden konnten. Nur bei 10 Prozent der Ermordeten gelang eine Identifizierung.
Im Rahmen eines Staatsbesuchs besuchte Bundespräsident Joachim Gauck als erstes deutsches Staatsoberhaupt gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident François Hollande das Dorf. Hand in Hand ließen sich die beiden Staatsoberhäupter das Massaker von Robert Hébras schildern. Bedeutsam wird diese Geste auch deshalb, da die Hinterbliebenen von Oradour jahrzehntelang jeden offiziellen Kontakt zu Deutschland ablehnten. Die Versöhnungsgeste des Bundespräsidenten wird mit der von Verdun 1984, zu der sich der damalige Staatspräsident François Mitterrand und der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl trafen, gleichgesetzt. (aw)