Altstrelitzer Gefängnis Neustrelitz

1805 ließ der regierende Herzog Karl II. von Mecklenburg-Strelitz das Landarbeitshaus (auch Zucht- und Irrenhaus) auf dem Gelände des 1712 abgebrannten ehemaligen Residenzschlosses der mecklenburg-strelitzschen Herzöge errichten. Die psychisch Kranken wurden 1902 in die am Domjüchsee neuerbaute, eigenständige Mecklenburg-Strelitzsche Landesirrenanstalt Domjüch verlegt, während das Gefängnis weiter als Landarbeits- und Landarmenhaus, Zuchthaus und Gefängnis genutzt wurde. Am 31. Dezember 1902 waren hier 32 Männer und 4 Frauen in Haft.

Nach dem Zusammenschluss der Länder Mecklenburg–Strelitz und Mecklenburg–Schwerin zum Land Mecklenburg (1934) wurde das Altstrelitzer Gefängnis als Landesanstalt Neustrelitz–Strelitz bezeichnet. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden hier Gegner nationalsozialistischer Willkür inhaftiert, misshandelt und auch ermordet. Während der Novemberpogrome 1938 veranlassten die Nationalsozialisten mit dem Reichsbürgergesetz, dass Juden in Deutschland,binsbesondere wohlhabende, in Schutzhaft genommen wurden. Abweichend von der Weisung der Berliner Gestapo–Zentrale wurden in Neustrelitz auch Frauen inhaftiert. Nicht nur Neustrelitzer waren betroffen, sondern auch Einwohner der Städte Rostock, Feldberg, Friedland, Woldegk und Neubrandenburg – insgesamt etwa 200 Personen.

 

 

Bis März 1939 wurden alle wieder entlassen. Die jüdischen Bürger waren vor der Entlassung „eingehend verwarnt und darüber belehrt worden […], daß sie sich unmittelbar nach ihrem Wohnort zu begeben und daselbst sofort bei der Polizei zu melden hätten. Auch ist ihnen vor der Entlassung aufgegeben, daß sie unmittelbar nach der Entlassung ihre Auswanderung zu fördern hätten. Anderenfalls würde ihre Verhaftung abermals erfolgen. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg erfolgte der Umbau des „großen Hauses“ (Hafthaus I). Das I. Obergeschoss wurde zur Station für „männliche asoziale Lungenkranke“ und das 2. Obergeschoss für den Maßregelvollzug zur Unterbringung von „unzurechnungsfähigen bzw. beschränkt zurechnungsfähigen Rechtsbrechern“ umgebaut. Das gesamte Gebäude wurde als „Abteilung Heil- und Pflegeanstalt“ oder kurz als „Abteilung III“ bezeichnet.

Im Mai 1945 übernahm der sowjetische NKWD das Altstrelitzer Gefängnis, als Gefängnis Nr.5 Strelitz, der Abteilung Speziallager. Hier waren Sowjetbürger vor der Repatriierung, Wlassow-Soldaten, SMT-Verurteilte und Internierte in Haft – bis über 1.000 Personen darunter Jugendliche und Frauen. Viele starben infolge von Krankheiten bedingt durch mangelnde Hygiene und Prügel. 1946 wurden alle Häftlinge in das Speziallager Nr. 7 Sachsenhausen und in das Speziallager Nr. 9 Fünfeichen verlegt. Das Gefängnis kam am 7. August 1947 wieder in deutsche Verwaltung und wurde bis zur Schließung 2001 als Strafvollzugseinrichtung (StVE Neustrelitz, bzw. Justizvollzugsanstalt Neustrelitz). Nach der Wende in der DDR wurden die Elektrozäune abgebaut und die Wachhunde abgeschafft. Mehrere Ausbruchsversuche waren die Folge. Darüber hinaus kam es auch zu Häftlingsrevolten, die jedoch durch die Häftlinge selbst beigelegt werden konnten.

1991 konnten bei einem spektakulären Massenausbruch elf Häftlinge fliehen. Nur zwei wurden sofort wieder gefasst. Möglich wurde der Ausbruch durch die ungenügenden Sicherungssysteme. Ein Umbau entsprechend dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Standards, wie die Erhöhung der Mauer von vier auf sechs Meter, war noch nicht erfolgt. 2001 wurde das Gebäude leergezogen und Hafthaus I mit Anbau sowie das Verwaltungsgebäude unter Denkmalschutz gestellt. Für die Immobilie wird ein Käufer gesucht.

Dokument-Information
Objekt ID: rp-043853
Kategorie: Ämter & Behörden
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Standort: Wilhelm-Stolte-Straße, 17235 Neustrelitz
Baujahr: 1805
Denkmalschutz: ja
Architekt: keine Angabe
Objekt abgerissen: teilweise
Objekt erfasst: 11.08.2020
Objekt erstellt: 02.03.2021
Letzte Änderung: 02.03.2021
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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.