Das Ende der Schöningschen Villa

Von André Winternitz24. Juli 2013

Gehasst, verdammt, vergöttert – besser kann man die Substanz der Schöningschen Villa in Vlotho in den letzten Jahren nicht beschreiben. Während die einen den Abbruch des 1898/99 erbauten Objektes herbeisehnten und dieses als Schandfleck sahen, kommt für die Sympathisanten die Nachricht – obwohl bereits mehrfach in den Medien angekündigt – aus heiterem Himmel. Der Kreis Herford hatte den Abriss des alten Gebäudes auf dem Amtshausberg in die Wege geleitet und den Denkmalschutz aufgehoben.

Der Zigarren-Fabrikant Wilhelm Schöning ließ vom Herforder Architekten Köster die Villa mit einem atemberaubenden Blick auf die Weser erbauen und von welcher Position man nach der Fertigstellung auf den Prachtbau auch blickte, es bot sich einem ein bemerkenswertes Bild. Beonderes Augenmerk legte der ausführende Architekt auf die aufwändige Gestaltung der von der Straße sichtbaren Fassaden, mit den wilhelmischen Gestaltungselementen. Diese Eindrücke bieten sich einem heute noch immer. Nach dem Tod von Wilhelm Schöning im Jahre 1924 modernisierte Sohn Julius 1925/26 die elterliche Villa und lebte dort gemeinsam mit seiner Familie bis ins Jahr 1945. Nach Kriegsende wurde die Villa, wie viele andere Häuser auch, von der Befreiungsmacht beschlagnahmt, im Anschluss diente es Angehörigen der englischen Besatzungsmacht als Unterkunft. 1952, nachdem zwei Jahre zuvor das englische „Rote Kreuz“ die letzte Villa verlassen hatte, verkaufte Julius Schöning das Anwesen an den Kreis.

Villa Schöning 2009
Villa Schöning 2009

Rund dreißig Jahre später, nach einer weiteren baulichen Erweiterung, verwandelte die Arbeiterwohlfahrt als Träger das ehemalige Schönigsche Anwesen in ein Alten- und Pfegeheim mit dem treffenden Namen „Schönblick“. 1978 wechselte erneut der Besitzer und das Altenheim „Schönblick“ wurde fortan als Familienbetrieb bewirtschaftet. Doch so „schön“ der Anblick von außen auch sein mochte, hinter der Fassade sah es, anhand von Schlagzeilen in der damaligen Tagespresse, anders aus. Die pflegerischen Leistungen an den Insassen des Altenheimes wurden beanstandet, der Betrieb wurde im Jahre 1982 geschlossen. Dem Inhaber wurden Veruntreuungen nachgewiesen, für die er sich auch juristisch verantworten musste.

Nachdem mehrfach die Besitzer der Immobilie wechselten, und auch die Verwirklichung einer geplanten, exklusiven Wohnanlage scheiterte, übernahmen Kreditinstitute die Villa. 1988 erwarb ein Berliner die Villa und ein Jahr später zusätzlich den unterhalb des Amtshausberges liegenden Bahnhof. Das Ziel des neuen Inhabers, aus der Villa einen komfortabelen Altersruhesitz zu gestalten, scheiterte. Als Grund wurde Vandalismus angegeben, die bis dato ausgeführte Sanierungsarbeiten zunichte machten. Im Jahre 2006 verstarb der Berliner Eigentümer. Seitdem stritten eine Erbengemeinschaft und die Stadt Vlotho über die Zukunft und möglichen Kauf oder Verkauf. Über die einst imposante und idyllisch liegende Villa finden sich zahlreiche Grusel- und Gespenstergeschichten im Internet. Auf den berühmt-berüchtigten „Geisterjägerseiten“ ist von Augen, die Neugierige aus den Giebelfenstern beobachten, über blutbeschmierte Wände, oder einen Vater, der seine Kinder in den Wänden eingemauert hat zu lesen. Sogar von schwarzen Messen war zu lesen. 2005 berichtete sogar die Bildzeitung von der „Grusel-Villa von Vlotho“. Grenzenloser Schwachsinn – der jahrelang für einen enormen „Touristenstrom“ gesorgt hatte.

Ausgebrannter Dachstuhl der Villa Schöning 2012
Ausgebrannter Dachstuhl der Villa Schöning 2012

2011 wurde das Gebäude bei gleich vier Bränden so schwer beschädigt, dass es einsturzgefährdet war. Also sicherte man das Anwesen mit Absperrgitter und Flatterband und der Kreis Herford „verhängte“ eine Abrissverfügung. Laut Selbigem hatten die Erben bereits ein Zwangsgeld zahlen müssen, da der Abriss noch nicht erfolgt war. Diese stimmten nun dem Ende der Villa Schöning zu, Dienstag (23. Juli 2013) rollten die Bagger an. Somit ist das Ende der Schöningschen Villa unwiderruflich gekommen! Was für die einen einer Erlösung gleichkommt, ist für die anderen eine Schande und ein Armutszeugnis für die Eigentümer und den Kreis. Eine erneute Bebauung ist auf dem Gelände nicht geplant.

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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.