Die Schande von Reinhardsbrunn

Foto: Wikimedia Commons/Michael Sander/CC BY-SA 3.0

Als man 1827 auf der Ruine des Hausklosters der Landgrafen von Thüringen das Schloss Reinhardsbrunn errichtete, hätte man sich wohl nie träumen lassen, was für Schicksalsjahre im 20. und 21. Jahrundert auf das imposante Anwesen mit seinen stattlichen Gebäuden zukommen würden, das die FAZ einst als „den bedeutendsten Schlossbau der Neugotik in Thüringen“ bezeichnete. 1850 legte man um das Schloss einen großzügigen, herzoglichen Landschaftspark mit See an, hier begegneten sich auch die britische Königin Victoria und Albert von Sachsen-Coburg und Gotha mehrfach. Rund 40 Jahre später nahm man die Anlage auf in das „Inventar der Kunstdenkmäler des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha“.

Dem Herzoghaus ging samt Ausstattung und Park 1945 nach der entschädigungslosen Enteignung des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha durch die sowjetische Besatzungsmacht verloren. Zu DDR-Zeiten funktionierte man das Schloss zu einem Hotel um und verwaltete dieses durch den VEB Reisebüro der DDR – Gäste aus Westdeutschland und dem westlichen Ausland spühlten satte Devisen in die Kassen. Das Hotel wurde zu einem Prestigeobjekt des sozialistischen Staates. 1974 – da fimierte das Schloss schon als Hotel – inszenierte das DDR-Fernsehen das Sendeformat „Unterwegs mit Musik“ in Reunhardsbrunn. 1988 drehte die DEFA hier den Märchenfilm „Rapunzel – oder der Zauberer der Tränen“. Als Hotel firmierte das Schloss bis 2001.

Wie unzählige Objekte auch, setzte die Treuhand das Schlosshotel Renhardsbrunn gemeinsam mit dem Kavaliershaus (HT-14 & HT-15, Anm. d. Red.) auf die Liste. Für einen geringen Millionenbetrag ging das Anwesen an eine westdeutsche Hotgelgruppe. Diese plante ein Luxushotel, entkernte große Teile. Dabei blieb es auch, bis heute schweigt die Treuhand, ihre Nachfolger und die Hotelgruppe. 2005 verkauft die Hotelgruppe das Schloss für 1 Euro – ohne Information an die Denkmalbehörde und trotz Meldepflicht. Land und Kommune hätten bei solchen Machenschaften das Vorkaufsrecht gehabt. Es kam, was kommen musste, Reinhardsbrunn wurde zum Spekulationsobjekt. Ein britischer Investor setzt seine Planungen medeinwirksam in Szene – mehr passiert nicht. Als er die Grunderwerbsteuer nicht zahlt, wird der Kaufvertrag seitens der Hotelgruppe rückgängig gemacht. Auch hier hätte wieder das Vorkaufsrecht von Land und Kommune greifen können. Noch schlimmer: Das Schloss wechselt mehrfach den Besitzer – auch hier ohne konkrete Rettungsversuche. Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein, ermittelt wegen Geldwäscheverdacht.

2011 gründete sich der „Förderverein Schloss und Park Reinhardsbrunn“. Christfried Boelter hatte immer wieder den Zustand des Schlosses dokumentiert und diesen an die Untere Denkmalbehörde gemeldet. Passiert ist nichts. Nachdem der Förderverein, nach mehreren Aufbrüchen, ein eigenes Sicherheitsschloss anbrachte, verlangte die Behörde die Herausgabe der Schlüssel, tauschte das Schloss aus und hängte ihr eigenenes an die Tür. Somit war der Verein ausgesperrt. Man stellt sich die Frage, was die Behörde zu diesem Schritt gegen die vorbildlichen Aktivitäten der Bürger, die für den Denkmalschutz kämpfen, bewegt hat. Denn vom Denkmal Reinhardsbrunn ist nicht mehr viel übrig. Dort wo man über 900 Jahre Geschichte schrieb und Ludwig der IV. begraben liegt, regiert nur noch der Verfall. Laut Denkmalschutzgesetz darf es ein „Vergessen“ geschützer Objekte nicht geben. Aufgrund klammer Kassen in den Ländern kommt dies allerdings immer häufiger vor.

Seit 2013 wurde eine Enteignung des Schlosses geprüft. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hatte die Rettung höchstpersönlich zur Chefsache erklärt. Mitte Oktober 2014 leitete das Thüringer Finanzministerium die Enteignung ein, weil der Eigentümer bis dato nichts gegen den Verfall unternommen hatte. Auf dem Schloss lasten zudem zu Unrecht Grundpfandrechte von 9,2 Millionen Euro, die laut eines Artikels der Thüringer Allgemeinen durch die Machenschaften des Eigentümers entstanden sind, die aber bei einem Erfolg der Anklage aus dem Grundbuch getilgt werden könne. Die Grundschuld beläuft sich – laut des selben Artikels der Zeitung – auf über 12 Millionen Euro.

Im November 2014 verhängte das Amtgericht Erfurt gegen den amtierenden Geschäftsführer einen Strafsatz von 180 Tagessätzen zu je 300 Euro – also 54.000 Euro – wegen Insolvenzverschleppung. Laut Anklage habe der Geschäftsführer bereits 2008 wissen können, dass die Gesellschaft von der Insovenz bedroht sei. Im selben Jahr wurde das Unternehmen samt Schloss von einem Moskauer Unternehmen für zwölf Millionen Euro gekauft. Seit 2011 ist das Unternehmen mit Sitz in Hamburg insolvent. Laut eines Artikels des MDR soll die Familie des Hamburger Geschäftsführers beteiligt sein. Über die Jahre gab es im Zusammenhang mit dem Schloss mehrere Verfahren – immer wegen Geldwäsche.

Heute ist Reinhardsbrunn eines von über 100 Adelshäusern, Burgen und Schlössern in Mitteldeutschland, die dem Verfall ausgesetzt sind. Eine Rettung erstmal nicht in Sicht. (aw)