Papierfabrik Golzern

1862 wurde auf einer Insel der Mulde, fünf Kilometer flussabwärts von Grimma die Papierfabrik Golzern errichtet. Produziert wurden hier Druck- und Spezialpapiere. Über die Jahre erweiterte sich nicht nur die Gebäudesubstanz, auch die Kapazitäten stiegen. Ein drei Meter hohes Wehr in der Mulde sicherte die Energieversorgung. 1877 erhielt Golzern einen Anschluss ans Eisenbahnnetz. Besonders zeichnete sich der Werksleiter Max Schröder aus, der zu damaligen Zeiten völlig untypisch, für seine Arbeiter eine Werkssiedlung samt Lebensmittelladen, Betstube und Schule gründete, eine Familienversicherung und eine Pensionskasse einführte. Die leitenden Angestellten erhielten Wohnungen in der gegenüberliegenden Villa der Papierfabrik.

Im Ersten Weltkrieg richtete man in den Räumen der ruhenden Maschinenbauanstalt ein Lager für Kriegsgefangene ein, die teilweise in den umliegenden Steinbrüchen, aber auch in der Papierfabrik eingesetzt wurden. Auch im Zweiten Weltkrieg mussten Kriegsgefangenen hier arbeiten. 1944 endete die Papierproduktion, bis 1945 nutzen Unternehmen die Räume zur Rüstungsproduktion. 1946 enteignete und vertrieb man die Eigentümerfamilie – die Papierfabrik ging ersatzlos in Volkseigentum über.

Nach der Wende endete 1990 der Betrieb. Nach der Gründung der Papierfabrik Golzern GmbH wurde die Produktion 1993 mit der Herstellung von Format- und Rollenware sowie Verpackungs- und Krepppapieren wieder aufgenommen. Ein Jahr später sprengte man die wieder aufgebaute Stahlbrücke aus dem Jahr 1947 und ersetzte diese durch eine Stahlbetonbrücke. Bei den Hochwassern in den Jahren 2002 und 2013 erreichte die Mulde einen so hohen Pegel, dass Teile der Papierfabrik überflutet und schwer beschädigt wurden. Aus diesem Grund gab man diesen Standort für die Papierproduktion gänzlich auf.

Die Stadt Grimma erwarb die Papierfabrik, sprach sich für einen Abbruch aus. Die Landesdirektion Sachsen rechtfertigte dieses Vorhaben mit dem Hochwasserschutz und verwarf somit auch die Interessen der Denkmalschützer. Die Papierfabrik wirke bei einem Hochwasser wie ein Staudamm, verschärfe die Überschwemmungslage der Mulde und sei nicht gegen Hochwasser zu verteidigen, erklärte die Landesdirektion 2014 gegenüber der „Sächsischen Zeitung“. Aus diesem Grund, und um Leib und Leben der Grimmaer Bürger zu schützen, war der Abbruch genehmigt worden. Noch Mitte 2014 hatte das sächsische Landesamt für Denkmalpflege den Abbruch wegen der Einstufung der Fabrik als Kulturdenkmal als nicht genehmigungsfähig eingeschätzt.

2016 machten Fledermäuse dem Abbruch einen Strich durch die Rechnung. Aus diesem Grund verlangte die Landesdirektion eine sogenannte FFH/SPA (FFH: Fauna-Flora-Habitat; SPA: Richtlinie für Vogel- und Artenschutzgebiete.) Verträglichkeitsuntersuchung. Die Stadt Grimma beauftragte ein Büro für Landschaftsarchitektur mit der Durchführung der Verträglichkeitsuntersuchung.

Besonders lobenswert ist die Tatsache, dass Bürgerinnen und Bürger seit einigen Jahren gegen einen Abbruch kämpfen (www.papierfabrikgolzern.de). Aus diesem Grund gründete sich auch eine Bürgerinitiative.

Quelle: papierfabrikgolzern.de, Leipziger Volkszeitung, privat

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Dokument erstellt am 15.08.2017
Letzte Änderung am 15.08.2017