Trockenbadetag in der Messestadt

Wer Leipzig besucht, kommt unweigerlich irgendwann am ehemaligen Stadtbad vorbei. Noch immer imposant thronend liegt das Denkmal-Juwel in der Eutritzscher Straße im Dornröschenschlaf – zumindest fast. 1916 öffnete das mit einer Dreiflügelanlage im Jugendstil errichtete Gebäude mit seinen zwei voneinander getrennten Schwimmhallen für Männer und Frauen die Türen. Wannen- und Sitzbäder und zwei Saunabereiche – einer davon die Damensauna, ein architektonisches Highlight im islamisch-maurischen Stil – luden zum Verweilen und Entspannen ein. Während des Zweiten Weltkriegs ruhte der Badebetrieb, danach öffneten sich wieder die Türen.

In den 80er Jahren erfuhr das Stadtbad eine umfangreiche Sanierung – dennoch musste der Betrieb 2004 wegen baulicher Mängel eingestellt werden. 2006 wurde von den Kommunalen Wasserwerken eine Förderstiftung ins Leben gerufen, um einen weiteren Verfall abzuwenden und um sich für eine Sanierung und Wiederbelebung des Bades einzusetzen. Im Jahr 2007 startete man einen Vermarktungsversuch, fand jedoch keinen Investor. Seitdem wurden im Gebäude diverse Veranstaltungen durchgeführt, um zumindest die laufenden Kosten des Bades (wie Sicherungsmaßnahmen, Renovierungsarbeiten, Strom etc.) zu decken.

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Außenfassade des Stadtbades

Wenn man die Gelegenheit hat, offiziell einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, sollte man dies in jedem Fall tun. Wer sich für Architektur und Verfall interessiert, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Größe und Architektur des Bades ist schon von außen beeindruckend und faszinierend. Über ein sporadisches Treppengerüst gelangt man durch eine Seitentür ins Innere. Nach wenigen Schritten betritt man die ehemalige Schwimmhalle der Männer. Doch irgendetwas ist anders als gewohnt. Dort wo man das Schwimmbecken vermutet, tritt man auf mit schwarzem Teppich bezogene Holzplatten. Die Decke ist mit edlen weißen Stoffbahnen abgehangen und vor den kunstvollen Säulenkapitellen und den Wandelgängen rechts und links hängen Kronleuchter, an beiden Kopfenden befinden sich zwei Bühnen. Der Grund: Um für Veranstaltungen einen großzügigen Bereich zu schaffen, wurde das Becken professionell abgedeckt, eine ebenerdige Fläche installiert und weitere Dekorationen vorgenommen. Hierfür wurde die gesamte, zweistöckige Schwimmhalle 2011 teilsaniert.

Herrenschwimmhalle umfunktioniert zum Eventbereich
Herrenschwimmhalle umfunktioniert zum Eventbereich

Weiter führt der Weg durch einen Zwischengang in den ehemaligen Eingangsbereich. Von hier verteilten sich die Besucher auf die Frauen- und Männerschwimmhallen oder die Saunabereiche im Obergeschoss. Auch dieser Bereich ist in das Veranstaltungskonzept mit integriert und treffend schlicht gestaltet, sodass das Hauptaugenmerk noch immer auf der eigentlichen Bausubstanz und den architektonischen „Spielereien“ liegt. Blickt man von hier durch einen weiteren Zwischengang Richtung Frauenschwimmhalle, kann man schon förmlich erahnen, welcher optische Leckerbissen dort wartet. Man wird nicht enttäuscht, tritt man in diese ein, im Gegenteil.

Blick in die Frauenschwimmhalle
Blick in die Frauenschwimmhalle

Die Frauenschwimmhalle gehört aufgrund ihrer Architektur vermutlich zu den Schönsten in Deutschland. Die zweistöckige Halle ist ebenfalls gespickt mit Säulenkapitellen und Wandelgängen, kunstvoll gestalteten Umkleidekabinen und den unterschiedlichsten Fliesenmustern. Die Jahre des Leerstands haben den Putz bröckeln und die Farbe abplatzen lassen – eine beeindruckende Kulisse, die wunderbare Motive bietet. Vom Obergeschoss hat man einen tollen Blick auf das Schwimmbecken und die Kabinen. Wer oben die Schwimmhalle einmal umrundet, der taucht ein in eine andere Zeit.

Rings um die Becken finden sich die Umkleidekabinen
Rings um die Becken finden sich die Umkleidekabinen

Hier finden sich auch die Anwendungsbereiche und ehemals medizinisch-therapeutische Angebote wie Wannen- und Schwitzbäder sowie galvanischen und Vierzellenbädern oder Inhalationsräume. Raum an Raum reiht sich auf lang gezogenen oder verwinkelten Fluren bis hin zum Saunabereich für Männer und Frauen aneinander – natürlich auch getrennt. Und immer wieder präsent sind die großzügigen Umkleidekammern. Wer sich hier sorgfältig umsieht, findet sich plötzlich in der denkmalgeschützten Damensauna wieder. Diese wirkt wie aus tausendundeiner Nacht, ist im islamisch-maurischen Stil gehalten und lässt erahnen, wie ein Sultan sich gefühlt haben muss. Kunstvolle Säulen und Bögen, filigrane und komplexe Muster mit Goldverzierungen und dekorativen Wandmosaiken versprühten noch heute ein orientalisches Flair. Der Brunnen im Zentrum des Ruheraums wirkt heute einsam und kalt. Saunieren konnten die Damen in mehreren Bereichen, jeder für sich künstlerisch, orientalisch gestaltet.

Die Damensauna wirkt wie aus tausendundeiner Nacht
Die Damensauna wirkt wie aus tausendundeiner Nacht

Der Zustand des Bades ist noch heute beeindruckend und man sollte – wenn möglich – an einer Führung durch das Gebäude teilnehmen, oder noch besser zum Fotografieren herkommen. Besser als hier wird man den Charme der Vergänglichkeit nicht oft spüren und erleben können. Bleibt zu hoffen, dass sich in naher Zukunft ein Investor findet, der dem Ganzen neues Leben einhaucht und die Geschichte nicht sterben lässt. Die Stadt Leipzig jedenfalls bevorzugt einen Weiterbetrieb oder eine badähnliche Nutzung. (aw)

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