Über Hortlinge – Von Max Varûn

Foto: pixelio/Bernd Kasper

»Dort wo ein Drache ist, da ist ein Hortling nicht fern.«

Seit Anbeginn ihrer Zeit leben Hortlinge in Verborgenheit. Niemand hat sie je gesehen oder überhaupt von ihrer Existenz gewusst. Ein einfaches friedliches Volk, welches ungestört vom Treiben der Welt ihre eigene kleine Geschichte schreiben konnte.

Hortlinge kennen keine Worte für Krieg, Neid oder schlimmeres. Dafür umso mehr für Familie, Spaß und Liebe. Dennoch ist ihre gutmütige Seele mit dem Laster des Goldes befleckt.

Ihr Drang nach Schätzen ist so groß, dass sie sich immer öfter aus ihren sicheren Höhlenstädten heraus trauen und sich ungesehen auf der für sie noch unbekannten Welt bewegen.

Sie lieben Gold und Edelsteine in allen erdenklichen Farben. Aber sie geben sich auch mit einem silbernen Löffel oder einer einfachen Münze zufrieden. Hauptsache es glänzt und funkelt. Und was ein Hortling noch mehr liebt, ist die Freude in den Augen eines Drachen, wenn sie ihre Beute nach Hause in den Hort bringen und ihrem Hüter seine neuen Schätze zeigen.

Nicht selten stehlen sie den gierigen Menschen ihr Erspartes, den kampfeslustigen Orks ihre Beute und den dickköpfigen Zwergen stibitzen sie ihr aufwendig gewonnenes Mithril vor ihren Nasen. Sie scheuen sich weder vor den tiefen Unterreichen der grausamen Dunkelelfen, noch vor den höchsten Baumkronen ihrer eitlen Verwandten.

Wenn man einem Hortling gegenüber steht, dann gleicht er einem Kobold oder Goblin. Mit der Ausnahme, dass Hortlinge von Kopf bis Fuß mit einem dichten grauen Kurzhaarfell bewachsen sind und übergroße runde Augen und Ohren in Form von Fledermausflügeln besitzen, die es in allen Ausprägungen gibt.

Ihren Pelz verzieren sie mit Holzschmuck, schönen Steinen oder Federn und Zähne ihrer Jagdbeute. Und das zu Recht, denn in der Regel ist ihre Beute größer als sie selbst – und gefährlicher.

Weibliche und männliche Hortlinge sind schwer zu unterscheiden und lediglich durch femininen Fellschmuck und Lendenschürzen zu erkennen.

Viele tragen die Kleidung ihrer Berufskaste oder Pelzbemalungen des zugehörigen Schwarms.
Die Ältesten und Weisesten umhüllen sich mit Knochenresten von alten Drachen, um sich mit den verstorbenen Drachengeistern verbunden zu fühlen.

Zur Jagd und zur Verteidigung tragen Hortlinge bevorzugt angespitzte Holzspeere, Steinschleudern oder Blasrohre und diese beherrschen sie meisterhaft. Und wenn das nicht reicht, sind ihre Zähne so scharf wie ein Dolch.

Eine weitere Besonderheit dieses scheuen Volks ist ihre Liebe zu Tieren. Einen Hortling wird man nämlich niemals ohne seine Lieblingsratte antreffen, die er stets in seiner Nähe hat.

Denn was das kleine Hortlingherz, neben ihrem Meister und glänzenden Edelmetallen, noch zum Schmelzen bringt, sind ihre geliebten Ratten, mit denen sie jährlich am großen Reitrattenrennen beim Fest der Schwärme antreten.
Und das nicht von ungefähr. Das Fest der Schwärme ist ein Fest gewidmet für ihre geliebte Göttin, an dem sie ausgelassen und lang feiern. Sie nennen sie schlicht Mutter.

Dahinter verbirgt sich ein uralter weiblicher Feuerdrache umhüllt von rubinbesetzten Schuppen und gewaltigen Schwingen – Sin´drasza die Unersättliche. Ihr flammender Atem war verzehrender als Höllenfeuer und ihr Verlangen nach Gold unstillbar.

Die Hortlinge glauben, dass Sin´drasza zu allen Zeiten über die Schwärme wacht. Denn als die noch frische und wehrlose Zivilisation der Hortlinge ihre ersten Schritte in der Welt versuchte, war sie es, die der scheuen Rasse einst einen Platz zum Überleben bot.

Sin´drasza spürte in ihren winzigen Herzen denselben Drang nach Schätzen, der auch in ihrem innewohnte.
Die Ältesten schlossen mit dem mächtigen Drachen einen magischen Bund. Ein Pakt, an dem alle Schwärme – Hortling wie Drache – über alle Zeitalter hinaus gebunden sein sollten: Sin´drasza und ihre Abkommen würden die Hortlinge vor der rauen Welt beschützen und verstecken. Im Gegenzug dafür sollen ihre Schützlinge den Schatzhort eines jeden Drachen weiter anhäufen.

Denn die Drachen sind zu faul und zu schläfrig, um ständig nach neuen Schätzen zu suchen. Manche taten es noch selbst. Aber die anderen fliegen nur noch zum Fressen hinaus und schlafen auf ihren stetig wachsenden Goldbergen.

Für ihre Aufgabe schenkte Sin´drasza den Hortlingen einen kleinen Teil ihrer magischen Kräfte. Sie erhielten den Mantel der Aspekte, bei denen sie sich für kurze Zeit unsichtbar machen können. Denn auch auf ihren Beutezügen, darf niemand etwas von diesem kleinen Volk erfahren. Dies und dass sie keiner Seele Leid zufügen wollen, sind die obersten Gebote der Hortlinge.

Doch jetzt wurden sie entdeckt. Und ihre Entdeckung wird sich zum Guten oder Schlechten für das gutmütige Volk der Hortlinge wenden.

Max Varûn