Uebergrund-Fotomagazin im Eigenverlag

Von André Winternitz – 09. November 2012

Wer als Fotograf – egal ob Profi oder Amateur – nicht in sterilen Studios anzutreffen und sich lieber eine frische Brise um die Nase wehen lässt, der träumt sicherlich auch oft von einem eigenen Fotobildband, in dem er seine „Werke“ zeigen kann. Für die meisten wird dies allerdings nur ein Traum bleiben, nur wenige finden einen Verlag und wenn, dann knebeln oftmals die Vertragsklauseln, Vorgaben und natürlich auch der finanzielle Rahmen die Autoren. Sebastian Linck ist hier einen anderen Weg gegangen. Der 1980 geborene Darmstädter wollte nach seinem Jahrestrip von 2008 bis 2009 nach Australien, Neuseeland, Hongkong, Vietnam und Berlin seine Fotos nicht in der üblichen Diashow-Form präsentieren, sondern die Lieblingsfotos in einem kleinen Magazin der breiten Öffentlichkeit zeigen. „Dieses sollte zu allererst mal in meinem Bücherregal stehen und meine Sammlung um ein eigenes Magazin ergänzen. Ein einziges Exemplar drucken zu lassen war mir dann doch etwas zu langweilig“, sagt Linck und kurzerhand entschied er sich, eine Auflage von 500 Exemplaren im Offsetverfahren in Auftrag zu geben – in Eigenregie, samt Vermarktung und Verkauf.

Das war 2009 – da hielt Linck dann die erste druckfrische Ausgabe seines ‚Uebergrund‘ Fotomagazins mit der Bezeichnung „#1“ in der Hand, mit den Perlen seiner Reise. „Ich hatte ehrlich gesagt richtig viel Schiss bei der Realisierung. Kein Verlag, kein Vertrieb und immense Druckkosten“, sagt Linck. Neben Impressionen von Graffiti, Streetart, Nachtilluminationen, Fassaden und Straßenszenen aus den von ihm besuchten Weltmetropolen fanden einige ausgewählte Darmstadtfotos den Weg in das Magazin. ‚Seiner‘ Stadt widmete sich der Amateurfotograf ein Jahr später in einer weiteren Ausgabe (#2) ausführlich, zeigt aber auch ‚Sichtweisen‘ aus Städten wie Frankfurt, Hamburg und Berlin. Hier findet der Betrachter teils skurrile, teils morbide Sichtweisen aus dem Untergrund – von Tunneln, Katakomben, U-Bahn Schächten und Kellern, also von Orten, die viele Menschen niemals zu Gesicht bekommen, geschweige denn dort hinabsteigen würden. „Das Untergrund-Thema aus der zweiten Ausgabe 2010 geht teilweise auch schon in die ‚Lost-Places-Richtung‘, allerdings befinden sich alle abgelichteten Spots wirklich im Untergrund“, erklärt Linck. Auch die Anordnung seiner Bilder in seinen Magazinen wird auf die meisten Betrachter, die ein ‚gewöhnliches‘ Fotomagazin erwarten, etwas irritierend wirken. Doch die Anordnung und Platzierung der Bilder ist bewusst so gewählt worden. „Die Positionierung der Bilder, also die Reihenfolge der Fotos im Magazin, ist mir sehr wichtig. Die Fotos müssen einfach miteinander harmonieren – dies ist aber auch meistens eine Bauchentscheidung“, sagt Linck.

091112

Aller guten Dinge sind drei, dachte sich auch der Darmstädter und erschuf sich 2011 seine ganz eigene Trilogie. Für die dritte Ausgabe (#3) seiner ‚Urban-Reihe‘ hat sich der Amateurfotograf voll und ganz den ‚Lost Places‘ gewidmet. Eine Woche war er für sein aktuelles Werk in Ostdeutschland unterwegs, vom Harz über Halle (Saale) bis nach Leipzig. Er zeigt verwaiste Flure und Dachböden in längst vergessenen Sanatorien, verwüstete Räume in Industriebrachen, aber auch Details wie abplatzende Wandfarbe, Rostformationen und Schilder. Linck nimmt den Betrachter mit in eine Welt abseits der Touristenströme und allen zivilen Gewohnheiten. „Die Lost-Places-Idee war für mich die logische Weiterentwicklung meiner ersten beiden Ausgaben. Ich mag einfach düstere, abgerockte, verrottete Plätze abseits der Touristenpfade. Es ist für mich so eine Art Parallelwelt, in der ich mich sehr wohl fühle“, so Linck. Zur Urban-Explorer-Szene möchte sich der Fotograf jedoch nicht zugehörig sehen. Er zieht lieber alleine los, ohne den Zwang permanent Fotos in Communities oder Foren zeigen zu müssen. Da agiert der Darmstädter eher wie ein Künstler – mal gibt es monatelang eine Schaffenspause und dann zieht es ihn wieder mit der Kamera hinaus auf Fototour, um auf seine Art kreativ zu werden. Was ihn jedoch mit vielen Fotografen der so genannten ‚Urbex-Szene‘ verbindet, ist die Leidenschaft für die teilweise ganz skurrilen Atmosphären der ‚Lost Places‘, das Jagen und Sammeln solcher ‚Trophäen‘ und das Erforschen der Geschichte selbiger.

Seine Fotomagazine im DIN-A-5-Format kann man über die Webseite www.uebergrund.eu sowie in ausgewählten Shops in Darmstadt, Frankfurt, Berlin, Hamburg und Köln erwerben. Ausgabe #1 und #2 kosten jeweils 8,00 Euro. Wer beide Ausgaben im Paket kauft, zahlt nur 15,00 Euro. Ausgabe #3 kostet 10,00 Euro (zzgl. 2,00 Euro Porto und Verpackung). Wer die Ausgaben online erwerben möchte, kontaktiert Linck direkt über seine Webseite. Die Bezahlung erfolgt per Vorkasse durch Überweisung oder mit PayPal. „Gewinn mache ich keinen“, verrät Linck, “ ich habe allerdings die Druckkosten von #1 und #2 decken können und bei #3 bin ich auf einem guten Weg. Es ist für mich ein Riesenerfolg von einer Ausgabe zwischen 150 und 200 Exemplaren zu verkaufen deutschlandweit und auch ins Ausland. Das Feedback war bisher extrem positiv, auch von professionellen Fotografen und Leuten vom Fach.“

Vorheriger ArtikelHaus der Offiziere
Nächster ArtikelVideo: Vogelparadies Bad Rothenfelde
André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.