Überreste der Berliner Mauer werden weniger

Foto: Wikimedia Commons/Superchilum/CC-BY-SA 4.0

Die Berliner Mauer bestand vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 und trennte nicht nur die Verbindungen im Stadtgebiet Groß-Berlins zwischen dem Ostteil („Hauptstadt der DDR“) und dem Westteil, sondern umschloss völlig alle drei Sektoren des Westteils und unterbrach damit auch jegliche Verbindung der Stadt zum im DDR-Bezirk Potsdam gelegenen Berliner Umland. Das hermetisch abgeriegelte Grenzbefestigungssystem hatte eine Gesamtlänge von rund 160 Kilometern, verschlang 1,822 Milliarden Mark der DDR und war das markante Symbol des Kalten Krieges sowie der Teilung Berlins und Deutschlands.

Das Bauwerk ergänzte die 1.378 Kilometer lange innerdeutsche Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik, die bereits mehr als neun Jahre zuvor errichtet wurde, um DDR-Bürger im Land zu halten. Beschlossen wurde der Bau Anfang August 1961 durch die politische Führung der Sowjetunion und wenige Tage später auf Weisung der DDR-Regierung. Für die an den schwer bewachten Grenzanlagen wachhabenden DDR-Grenzsoldaten galt seit 1960 in Fällen des „ungesetzlichen Grenzüberschritts“ der Schießbefehl, 1982 wurde dieser formell legalisiert. Bei den Versuchen, die Mauer in Richtung Berlin zu überwinden wurden nach derzeitigem Forschungsstand (2009) zwischen 136 und 245 Menschen getötet. Die genaue Zahl der Todesopfer an der Berliner Mauer ist nicht bekannt.

Im Zuge der politischen Wende wurde die Berliner Mauer am Abend des 9. November 1989 geöffnet – unter dem wachsenden Druck der DDR-Bevölkerung nach mehr Freiheit. Der Mauerfall war nicht nur Symbol des Zusammenbruchs der SED-Diktatur und der Auflösung der DDR, sondern gleichzeitig die staatliche Einheit Deutschlands.

Heute, 25 Jahre später, gibt es nur wenige Überreste, an denen die Mauer als Mahnmal zu sehen ist und auch diese werden weniger. Auf den meisten Straßen hat man den ehemaligen Verlauf durch eine in die Straße eingelassene Doppelreihe Kopfsteinpflaster markiert. An der Bernauer Straße – die die Bezirke Berlin Mitte im Osten und Wedding im Westen trennt – findet sich das Dokumentationszentrum „Berliner Mauer“ und einige Mauerreste, ein noch überwiegend unbebauter Grenzstreifen. An der Bornholmer Straße erinnert nur noch ein Teil der Hinterlandmauer sowie Reste der einstigen Straßenmarkierung samt Gedenkstein an die Mauer. Dort wo früher Zehntausende DDR-Bürger am nördlichsten der sieben innerstädtischen Straßenübergänge die Öffnung erzwangen, erinnert heute nicht mehr viel an die Tage der großen Emotionen.

Weltbekannt ist auch der ehemalige Checkpoint Charlie – auch wenn dieser heute eher nur sporadisch fungiert. Der Checkpoint verband in der Friedrichstraße zwischen Zimmerstraße und Kochstraße (beim gleichnamigen U-Bahnhof) den sowjetischen mit dem US-amerikanischen Sektor und damit den Ostberliner Bezirk Mitte mit dem Westberliner Bezirk Kreuzberg. Der Kontrollpunkt wurde 1961 errichtet um das westalliierte Militärpersonal, die Sowjetische Militärverbindungsmission (SMM) und ausländische Diplomaten bei Grenzübertritten erfassen zu können. Heute ist die Wachbaracke der Alliierten ein Nachbau, das Original verbrachte man in das Alliiertenmuseum. Der Wachturm auf der ehemaligen DDR-Seite wurde 2000 trotz großer Proteste abgerissen.

Die East Side Gallery in Berlin-Friedrichshain ist das längste erhaltene Stück Mauer und gleichzeitig die weltweit längste dauerhafte Open-Air-Galerie, die für die „Freude“ über die „friedliche Überwindung“ des „Eisernen Vorhangs“ sowie das Ende des „Kalten Krieges“ steht. Zu DDR-Zeiten war es strengstens untersagt sich der Mauer zu nähern, oder diese zu berühren. Umso bedeutender war es, als nach Öffnung der Berliner Mauer dieses Teilstück der ehemaligen Ostseite von 118 Künstlern aus 21 Ländern mit rund einhundert Gemälden bemalt wurde. Sie dokumentierten mit ihren Werken die politischen Veränderungen der Jahre 1989/90. Aufgrund von städtebaulichen Maßnahmen ist das Mauerstück aktuell nicht mehr durchgehend erhalten, auch die Gemälde wurden über die Jahre aufgrund von Witterungseinflüssen saniert und sind somit heute Repliken.

Weltweit in die Medien schaffte es die East Side Gallery noch einmal im Jahr 2013, als die Denkmalbehörde und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg direkt auf dem Mauerstreifen in Höhe der ehemaligen Brommybrücke den Bau eines Hotels und eines 63 Meter hohen Wohnhauses genehmigte und der Bauherr den Abriss von Mauersegmenten ankündigte. Am 17. März 2013 demonstrierten rund 6.000 Menschen – unter ihnen auch David Hasselhoff – gegen den Abriss und konnten diesen bisher verhindern.

Überreste der Mauer finden sich in der Gartenstraße, rechts und links der Straßenseite, in der Niederkirchner Straße/Wilhelmstraße, wo noch einige Mauersegmente sowie Reste der Grundmauern des ehemaligen Gestapo Hauptquartiers im Westteil der Stadt erhalten sind sowie ein Wandflies, das an die Proklamation der DDR 1949 erinnert. In der Schwartzkopffstraße/Pflugstraße ist in einem Hinterhof ebenfalls noch ein Stück Mauer erhalten. Auf dem Invalidenfriedhof in der Scharnhorststraße erinnern einige erhaltene Mauersegmente und der Postenweg an die Vergangenheit. Die Errichtung der Mauer – die durch einen Teil des Friedhofs führte – hatte zur Folge, dass heute nur noch rund 230 Gräber erhalten sind. Auf dem ältesten katholischen Friedhof der Stadt Berlin – dem St. Hedwig-Friedhof – befindet sich noch heute ein kurzes Mauerstück sowie Teile der Hinterlandmauer. Von allen Mauersegmenten wurden ehemalige Warnschilder über die Jahre demontiert oder gestohlen. Bedrückend ist allerdings noch immer der Moment, wenn der Blick von der Straße oder Häusern auf die grauen Stahlbetonkonstruktionen fällt. Eine Situation, die niemals verschwinden darf und weiter als Mahnmal dienen muss.

Mahnmal – wenn auch eher ein Künstlerisches – ist der Mauerpark nahe der Bernauer Straße, der heute zur Entspannung und zum Verweilen einlädt und durch Graffiti-Künstler regelmäßig mit neuen Graffitis versehen wird. Zu DDR-Zeiten bildete die Mauer hier die Grenze zwischen den damaligen Bezirken Prenzlauer Berg und Wedding. An der Konrad-Adenauer-Straße findet sich das „Parlament der Bäume“ (auch Parlament der Bäume gegen Krieg und Gewalt genannt) – ein Gedenkort mit Installationen von Mauersegmenten des Künstlers Ben Wargin. Seit 1990 möchte der Künstler an die Todesopfer der Berliner Mauer erinnern. Aufgrund von Baumaßnahmen im Rahmen des Umzugs der Bundesregierung von Bonn nach Berlin musste im Band des Bundes das „Parlament der Bäume“ verkleinert werden.

Am Potsdamer Platz hat man über die Jahre – auch infolge des Baubooms – so ziemlich alle originalen Relikte der Mauer entfernt. Die letzten Mauersegmente in der Stresemannstraße wurden 2008 abgerissen. Auf dem Potsdamer und Leipziger Platz stellte man einige Mauersegmente als Mahnmal auf, andere, die ebenfalls dafür angedacht waren, lagern in einer Halle in Brandenburg. Einer der wenigen erhaltenen Wachtürme im Stadtzentrum von Berlin findet sich neben dem an der Kieler Straße in der Erna-Berger-Straße. Ein weiterer Wachturm (in diesem finden auch wechselnde Ausstellungen des Vereins Flutgraben e.V. statt ) ist inmitten eines Parks an der Puschkinallee erhalten – wie auch Reste der Hinterlandmauer.

Noch heute kann man eindrucksvoll wie erschütternd die Geschichte der Berliner Mauer erleben. Alle „Überbleibsel“ erzählen ihre ganz eigene Geschichte, die größtenteils von Entbehrung, Trennung, Freiheitsberaubung, Leid und Schmerz gekennzeichnet sind. Wir müssen alle erdenklichen Mühen auf uns nehmen, um diese Mahnmale auch zukünftig zu erhalten – entgegen der Profitgier und dem nach wie vor andauernden Bauboom. Geschichte muss erlebbar bleiben, nicht nur in Museen, sondern direkt vor Ort. (aw)