Crowdfunding & Lost Places

Foto: Bildmontage/Peter Franz/pixelio.de

Wollte man vor Jahren ein Projekt finanzieren lassen und hatte das notwendige Eigenkaptial nicht, ging man zur Bank des Vertrauens, stellte die Projektidee sowie das Konzept vor und brauchte – übertrieben formuliert – nur noch seine Unterschrift unter den Kreditantrag setzen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Nach der Bankenkrise und den vielen gescheiterten, im Vorfeld noch vielversprechenden Projekten jeglicher Art sind die Kreditinstitute bei Finanzierungen nicht nur vorsichtig geworden, auch die Anforderungen und Rahmenbedingungen bei Krediten werden immer utopischer. Wer sein Projekt nun ohne Banken oder Fördermittel finanzieren lassen möchte – für den gibt es das Crowdfunding.

Beim Crowdfunding gibt es auch Kapitalgeber, diese sind allerdings meistens Nutzer des Internets. Crowdfunding gilt eher als Variante für die Finanzierung von Nischen-Projekten, ein zu finanzierendes Projekt wird als Aktion benannt. Eine Aktion ist durch eine Mindestkapitalmenge gekennzeichnet, die durch die Masse fremdfinanziert sein muss, bevor die Aktion startet. Im Verhältnis zur Mindestkapitalmenge leistet jedes Mitglied der Masse (Crowdfunder) nur einen geringen finanziellen Anteil. Für diese Leistung erhält der Crowdfunder eine Gegenleistung, die verschiedene Formen annehmen kann (z. B. Rechte, Sachleistungen, Werbemittel), aber stets einen monetarisierbaren Wert hat. Die Kommunikation zwischen Geldgeber und -nehmer wird über eine Plattform im Internet realisiert. In der Regel veröffentlicht der Geldnehmer über diese Plattform eine weitgehend offene Ausschreibung, die sich an alle geschäftsfähigen Internetnutzer richtet; ohne Ein- oder Ausgrenzung möglicher Geldgeber. Floppt das Projekt – also erhält nicht das festgelegte Kapital – so erhalten die Unterstützer ihr investiertes Geld zurück.

Weltweite und bekannteste Crowdfunding-Plattformen sind Kickstarter, Indigogo, Ulule, FundedByMe, gofundme, in Deutschland sind es beispielsweise Startnext, Mysherpas, Dreamojo, Pling, Inkubato oder VisionBakery. Das bis dato größte Crowdfunding-Projekt in Deutschland startete die Kölner Firma Brainpool im Dezember 2011. Für den geplanten Film zur TV-Serie Stromberg wollte das Unternehmen bis März 2012 eine Million Euro einsammeln. Nach zwei Tagen lagen die Einnahmen bereits bei über 150.000 Euro. Innerhalb einer Woche wurde die Summe (1 Million Euro) erreicht.

Es verwundert niemanden, das auch das Genre „Lost Places“ immer mehr auf Crowdfunding-Plattformen zu finden ist. Privatpersonen, Fotografen oder Filmemacher versuchen mit dieser Möglichkeit ihre Ideen und Projekte finanzieren zu lassen. Doch so attraktiv sich das Crowdfunding anhört und so simpel dieses Verfahren auch sein kann, so schwer ist es trotzdem, im Internet an das Geld anderer Leute zu kommen. Die folgenden Beispiele zeigen, welche Crowdfunding-Projekte zum Thema „Lost Places“ erfolgreich waren, welche scheiterten und was die Gründe dafür waren.

Zu den erfolgreichsten Crowdfunding-Aktionen zum Thema „Lost Places“ in Deutschland gehört unumstritten die Finanzierung der Dokumentarfilm-Trilogie „Geschichten hinter vergessenen Mauern“ des Leipziger Filmemachers Enno Seifried, realisiert über die Plattform VisionBakery. Seifried wollte mit diesem Schritt seine Dokumentarfilme in Spielfilmlänge 2012, 2013 und 2014 auf DVD veröffentlichen und selbige an jeweils drei Premierenveranstaltungen in unterschiedlichen Locations uraufführen. Dreimal wagte Seifried den Schritt des Crowdfundings, dreimal finanzierten sich die Aktionen wie von selbst – der letzte Teil der Trilogie gleich mehrfach und in atemberaubender Zeit. Zu diesem Erfolg kam es, da Seifried schon bereits vor den Crowdfunding-Aktionen über einen enormen Bekanntheitsgrad verfügte und somit ein breites Publikum ansprach. Auch die unermüdlichen Vorarbeiten – für alle drei Teile wurde jeweis rund ein Jahr gedreht, geschnitten, vertont und geplant – sowie die diversen Pakete für die Kapitalgeber waren es, die zum Erfolg der Aktionen beitrugen. Auch die professionelle Realisierung jeder vorangegangenen Aktion nach der Finanzierung zog bei jeder neuen mehr Crowdfunder an.

Erfolgreich war auch die Crowfunding-Aktion des Fotografen Gerd Ludwig, der für Produktion, Druck und Vertrieb seines Fotobuches „The Long Shadow of Chernobyl – A Photo Book“ die Plattform Kickstarter wählte. Auch hier wurde die Aktion innerhalb der Laufzeit mehr als doppelt finanziert. Natürlich hatte Ludwig durch seinen weltweiten Bekanntheitsgrad enorme Vorteile, als er Kapitalgeber für sein neues Werk suchte. Auch die Aufmachung der Aktionsseite zu seinem Buch sowie die „Gegenleistungen“ waren es, die für eine erfolgreiche Finanzierung sprachen. Gerd Ludwig fotografiert(e) für die Magazine Geo, Stern, Spiegel, Life und Time und ist weltweit bekannt als Fotograf für das National Geographic Magazine. Gerade erst stellte er in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ seinen Bildband vor. Mehr als zwanzig Jahre beschäftigt sich Ludwig mit der Sperrzone Tschernobyl sowie dem Leben drumherum und war zusammengerechnet mehrere Monate vor Ort. Diese ausgewählten Impressionen finden sich in seinem neuen Werk.

Leider nicht geklappt hat die Aktion „Lost Place – 1st Geocaching Shop Berlin“ die auch über die Crowdfunding-Plattform VisionBakery gestartet wurde. Janine Draht hatte sich das Ziel gesetzt, eine definierte Summe einzusammeln um in Berlin den ersten Geocaching-Shop mit angeschlossenem Café zu eröffnen. Draht wollte einen Treffpunkt von Geocachern für Geocacher schaffen, bei dem jeder Unterstützer hätte mitreden und mitgestalten können. Die Aufmachung des Ladens sollte in etwa dem eines Lost Places nachempfunden sein. Hier scheiterte die Aktion an der fehlenden Unterstützung „Gleichgesinnter“, dem geringen Bekanntheitsgrad und der nicht oder nur wenig existenten „Vermarktungsstrategie“ der Projektidee. Trotzdem sollte Draht das ehrgeizige Ziel weiterverfolgen und einen Weg zum eigenen Laden zu finden.

Gescheitert ist auch die Aktion von Anna und Roman Küffner für einen Bildband namens „The Aesthetics of Absence – Abandoned Theme Parks on Earth“ gestartet über die Plattform Indigogo. Beide wollten mit diesem Bildband vergessene Freizeitparks weltweit zeigen und an deren Existenz erinnern. Für Flugreisen, Unterkünfte, mögliche Location-Mieten, Equipment, organisatorische Abläufe und den anschliessenden Buchdruck sollten Kapitalgeber gefunden werden. Die Zeit lief ab und nicht mal ein Viertel der festgelegten Summe konnte finanziert werden. Lässt man mal den Fakt außer Acht, dass die Summe der „Weltreise“ samt Buchdruck bei Weitem zu niedrig angesetzt war, so mangelhaft war die Planung eines solchen Projektes konzeptiert, als es den Weg zum Crowdfunding einschlug. Auch die diversen „Gegenleistungen“, die bei so einer Projektsumme die Crowdfunder aus der Reserve locken sollten, stießen auf kein großes Interesse. Marketingtechnisch wurde das Projekt überwiegend in Szene-Netzwerken oder Social-Media-Gruppen beworben, in denen es alles andere als Unterstützer einer solchen Bildband-Idee gibt. Vielleicht findet sich aber dennoch ein Weg, das Projekt abseits des Crowdfunding zu einem Erfolg zu führen. Es gibt zahlreiche namhafte Fotografen, die dies mehrfach erfolgreich bewiesen haben.

Crowdfunding ist so eine Sache. Und wie eingangs erwähnt ist es nicht leicht, an das Geld anderer Leute zu kommen. Wer also ein Projekt finanzieren möchte, braucht zuerst ein stimmiges Konzept um aufmerksam zu machen, entsprechende Köder für Kapitalgeber, ein Netzwerk und eine Zielgruppe um Reichweite zu erhalten und viel Eigenarbeit. Gerade beim Thema „Lost Places“ ist nichts schwieriger, als Interessenten zu locken und Kritiker abzuhalten – nicht andersherum. (aw)