Schon unser Heut ein Gestern ist

Von André Winternitz – 09. Januar 2014

Wenn man den neuen Bildband „Schon unser Heut ein Gestern ist“ von Marcus Rietzsch in den Händen hält, wird schnell klar, wie strukturiert und sorgfältig der Autor bei der Zusammenstellung der Bilder und Texte für selbigen vorgegangen ist. Dem Betrachter präsentieren sich nicht wie gewohnt kurze Texte zu Fotografien, sondern – und das ist neu – fotografische Impressionen zu Zitaten von Franz Kafka, Christian Morgenstern, Friedrich von Schiller und anderen. Rietzsch lässt in dem 132 Seiten starken Werk nicht nur tief in die eigene Seele blicken, sondern auch in die der vergessenen und von ihm fotografierten Objekte – zeigt den Verfall von einer düsteren, aber wunderbaren Seite. Düster im positiven Sinn, da der Bildband konsequent in schwarzweiß gehalten ist, Seiten, Zitate und natürlich die Fotografien.

090114bFür seinen zweiten Bildband begab sich der 41-jährige, selbständige Mediengestalter auf die Spuren des alltäglichen Verfalls, dessen außergewöhnlicher Zauber abgeschirmt hinter Absperrzäunen und mit Brettern vernagelten Fenstern auf neugierige Entdecker wartet. Er zeigt einen Streifzug durch die gegenwärtige Vergangenheit. Sichtbar die Zeit, die wie ein Mühlstein der Geschichte an Mauern, Türen, Wänden und zurückgelassenen Gegenständen gearbeitet hat. Verwaiste Objekte, aus denen das menschliche Leben verschwunden ist. Doch die Erinnerungen und Geschichten klammern sich geisterhaft an morsche Treppengeländer oder materialisieren sich in lichtdurchfluteten leeren Räumen. Die Motive, die Rietzsch bei seinen Streifzügen gefunden hat, transportiert er sanft und künstlerisch korrekt, aber immer wieder auch schonungslos direkt.

„Ich beschreibe den Bildband gerne als einen visuellen Reise durch die gegenwärtige Vergangenheit. Die zum Nachdenken anregenden Worte sollen die visuelle Wirkung der Fotoaufnahmen vertiefen“, sagt Rietzsch. Auf ein Lieblingsobjekt oder -motiv möchte sich der Fotograf aber nicht festlegen. „Es gibt zu viele Objekte, die mich gefesselt haben, um aus dieser Fülle ein Objekt besonders hervorzuheben. Im Augenblick des „Eintauchens“ in einen Ort – mit seiner teils einmaligen Atmosphäre und dem Entdecken interessanter Ansichten – ist dieser Ort zumeist besonders faszinierend.“ Dies ist nachvollziehbar, denn so breit die Motivpalette auch ist, so deutlich machen die stummen Zeugen auf Rietzschs Bildern, dass wir nicht vergessen sollten. Ruinen erzählen Geschichten, man muss sich nur die Zeit nehmen und genau hinhören oder -sehen.

Der Bildband ist über den Internetshop von T-Arts unter www.shop.t-arts.de erhältlich, ebenso über die Edition Subkultur des Berliner Verlages Periplaneta unter www.edition.subkultur.de und natürlich über den Buchhandel. Der Bildband ist auf 499 Exemplare limitiert.

Schon unser Heut ein Gestern ist
Der Zauber des Verfalls
Format: 19 x 27 cm
Umfang: 132 Seiten
Preis: 12,50 Euro
ISBN: 978-3-943412-03-1