Tunnelportal Guxhagen

Am 1. Juli 1845 wurde mit dem Bau der Eisenbahnstrecke (Main-Weser-Bahn) begonnen. Es wurde der belgische Ingenieur Frans Splingard verpflichtet. Man begann zuerst mit dem Bau des Tunnels durch den Stiegberg, hierfür beauftragte man den belgischen Ingenieur Rombauts mit der Bauleitung. 1846 wurden beim Eisenbahnbau 7.000 Arbeiter beschäftigt. Am 18. September 1848 wurde die Strecke zwischen Guxhagen und Bebra in Betrieb genommen. Die Strecke nach Kassel-Wilhelmshöhe wurde auf Grund des Brückenbaus in Guntershausen erst am 19. Dezember 1849 eröffnet. Der Bahnverkehr fand zuerst nur auf einem Gleis statt. Das zweite Gleis wurde 1873/74 gebaut.

Der Guxhagener Tunnel hat unter den Tunneln der Nordbahn das günstigste Gebirge, Lagen von leicht zu bearbeitenden, dichten, fast senkrecht stehenden Lehm wechseln mit härteren Tonschieferlagen, die in Schichten von rotem Sandstein übergehen, ab. Wasser fand man wenig oder gar nicht. An der Nordseite ist der Bergrücken flach abgedacht, weshalb ein rund 350 Meter langer Einschnitt nötig wurde, der teils in sandigem Lehm, teils in hartem Sandstein verläuft. Auf der Südseite beginnt der Tunnel in einem hohen, beträchtlichen Sandsteinfelsen. Dort war nur ein kurzer, dafür aber 23 Meter hoher Anschnitt nötig.

Das eigentliche Tunnelgewölbe ist 433 Meter lang. Die Mächtigkeit des Gebirges beträgt an der höchsten Stelle 51 Meter. Hätte man bei diesem Tunnel den Bau nur von den beiden Enden aus vorgetrieben, wäre die Bauzeit zu lang geworden. Man schaltete daher zwei Förderschächte in Richtung der Bahnachse dazwischen und gewann dadurch vier weitere Angriffspunkte für den Richtstollen. Die lichte Weite des Tunnels beträgt 8,04 Meter, die lcihte Höhe 6,35 Meter.

Eine wesentliche Erschwernis für die Arbeiten am Nordende des Tunnels bildete der Schwartzebach, der die Bahnachse am Beginn des Einschnittes etwa 400 Meter vor dem Tunnelportal kreuzt, um sich etwas unterhalb in die Fulda zu ergießen. Dieser Bach hat sehr großes Gefälle. Bei gewöhnlicher Witterung führt er zwar nur wenig Wasser; schwillt aber bei Regenwetter sehr stark an und hat sein Bett im Laufe der Zeit tief in den Sandsteinfelsen eingeschnitten. Zur Überbrückung dieses etwa 40 Meter breiten Tales war ein Damm vorgesehen mit einer Brücke, die eine Mittelöffnung von 11,50 Meter erhalten sollte. Obwohl die Brücke bereits im Herbst 1845 von mehreren Kasseler Maurermeistern begonnen worden war, ließ ihre Fertigstellung aber so lange auf sich warten, dass die Bauarbeiten im anschließenden Einschnitt und der Felsaushub im Tunnel im Sommer 1846 außerordentlich behindert wurden. Nach dem Bauprogramm sollten nämlich alle im Einschnitt, beim Tunnelausbruch und in den Förderschächten anfallenden Massen als Schüttmassen für den das Tal durchziehenden Damm benutzt werden.

Solange die Brücke noch fehlte, war dies aber nur zum Teil möglich. Es blieb deshalb nichts anderes übrig, als die überschüssigen Erdmassen zunächst im Einschnitt hochzufördern und beiderseits abzulagern, eine mühsame und nutzlose Arbeit, denn später mußten die Massen doch wieder zu Tal gefördert werden. Damit durch diese Maßnahme nicht unnötig große Flächen nutzbaren Ackerlandes in Anspruch genommen zu werden brauchten, böschte man die Einschnittsflächen beiderseits zunächst nur unter 45 Grad ab und gewann so etwas Platz für die Aufschüttungen. Das Heraufkarren der Erdmassen war aber sehr mühevoll. Natürlich verzögerte das Fehlen der Brücke auch das Heranschaffen der Baustoffe für den Tunnel. Warum nicht von vornhinein eine Behelfsbrücke errichtete, ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich.

Die Förderschächte, die im Zusammenhang mit Trockenlegungsarbeiten später wieder zugemauert wurden (der eine im Jahre 1911, der andere 1931), waren sehr geräumig, der Förderbetrieb jedoch sehr primitiv. Es befanden sich keine Leitern an den Wänden. Arbeiter und Baustoffe wurden in großen Kästen, die aber nur ein Fassungsvermögen von zwei Zentnern (100 Kilogramm) hatten, durch Seile bewegt. Die Haspel war außerdem so schwerfällig, dass acht Mann Bedienungspersonal nötig waren. Warum es nicht möglich war, wie von sachverständiger Seite vorgeschlagen, eine Förderanlage nach bergmännischer Art einzurichten, ist nicht feststellbar. Trotzdem ging der Bau schnell vorwärts. Nachdem man am 17. September 1845 mit dem Förderschächten angefangen hatte, begann man am 12. November 1845 mit dem Bau des Richtstollens. Anfang April 1846 war der Richtstollen schon über die Hälfte fertig gestellt und die beiden Schächte waren untereinander vereinigt, was insbesondere für den Abzug der Pulverdämpfe wesentliche Vorteile brachte, denn vorher waren einige Arbeiter schon erkrankt.

Am 8. Juni 1846 wurde der Richtstollen durchgeschlagen, anschließend mit der Ausräumung des vollen Tunnelquerschnittes und am 10. August mit der Ausmauerung begonnen. Um die Abfuhr der Erdmassen zu beschleunigen, wurde ein Feldbahngleis gelegt mit Ausweichen vor den Tunnelportalen und an der Abladestelle. Es waren aber drei Mann nötig, um die Wagen zu bewegen. Anfang November 1847 wurde die Wölbung geschlossen und dieses Ereignis »im Tunnel festlich begangen«. Die Fertigstellung der Widerlager ging sehr schnell vor sich, seit dem vom Dezember 1847 ab Tag- und Nachtarbeit eingeführt worden war. Vom Januar 1848 ab wurden die Entwässerungskanäle gemauert und die Gleise verlegt.

Leider kamen beim Bau dieses Tunnels öfter Unfälle vor. Man kann in den Bauberichten in der »Eisenbahnzeitung« aus dieser Zeit verschiedentlich lesen, dass Arbeiter durch Erdrutsche, Felsstürze oder beim Sprengen verletzt oder gar getötet wurden. Als die sich häufenden Unfälle sogar in der Öffentlichkeit Aufsehen erregten, sah sich die Nordbahn-Gesellschaft gezwungen, eine strenge Sprengordnung zu erlassen.

An der Fassade sind noch immer die Fenster der einstigen Sechs-Zimmer-Wohnung für den Tunnelposten sichtbar. 1974 wurde diese abgerissen.

Quelle: Buch Die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn – Zur 100 jährigen Wiederkehr der Betriebseröffnung der ersten kurhessischen Eisenbahn am 30. März 1948

Dokumenten Information
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Dokument erstellt am 24.07.2014
Letzte Änderung am 24.07.2014

 

Friedrich-Wilhelms-Nordbahn-Gesellschaft

Die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn-Gesellschaft war nach dem Regenten und späteren Kurfürsten von Hessen, Friedrich Wilhelm I. benannt. Sie ergänzte ihren Namen 1853 um den landesherrlichen Titel zu Kurfürst Friedrich-Wilhelms-Nordbahn-Gesellschaft. Nach der Annexion Kurhessens durch Preußen infolge des Deutsch-Österreichischen Kriegs 1866 wurde sie erneut umbenannt, nun in Hessische Nordbahn-Gesellschaft. Ab dem 1. April 1867 übernahm der preußische Staat deren Verwaltung, wofür in Kassel eine eigene Eisenbahndirektion errichtet wurde. 1868 ging die Nordbahn in das Eigentum der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft über, die ab 1873 auch die Verwaltung der Nordbahnstrecken übernahm. Dies bedeutete das schnelle Ende der Kasseler Eisenbahndirektion. Am 1. Januar 1882 erfolgte schließlich die Verstaatlichung der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft.

 

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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.