Villa Schöningen

Die Villa Schöningen ist ein historisches Wohngebäude im Potsdamer Stadtteil Berliner Vorstadt, Berliner Straße 86, an der Ecke Berliner Straße und Schwanenallee, wenige Meter westlich von der Glienicker Brücke entfernt. Im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. entwarf Ludwig Persius 1843 für Kurd Wolfgang von Schöning, den Hofmarschall des Prinzen Carl von Preußen, ein Haus im italienischen Villenstil. Im selben Jahr erfolgte auch die Namensgebung nach der östlich von Braunschweig gelegenen Stadt Schöningen, dem Herkunftsort der Familie von Schöning.

Als Vorbild der von Ludwig Persius im italienischen Stil entworfenen Gebäude diente die Bauweise oberitalienischer oder in der Umgebung Roms gelegener Villen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Durch Anbauten, die im Laufe der Zeit an das Haupthaus gesetzt wurden, folgte die Architektur der Villen keiner regelmäßigen Symmetrie, sondern wirkte durch die Quer- und Hochstellung der verschieden großen Baukörper wie zusammengesetzte Teile aus einem Baukasten. Dieser Gestaltung folgte Persius bei seinen Umbauten zudem mit möglicher Benutzung der vorgefundenen Substanz, mit Befriedigung der etwa hinzutretenden Bedingungen für eine gewünschte Vergrößerung der Anlage und mit Beachtung der möglichen Ökonomie von Geldmitteln, in einem einfachen, aber befriedigendem Baustil, und zugleich mit Rücksicht für die malerische Einwirkung auf die Gegend. Außerdem wich Persius von der Hervorhebung einer Schaufassade ab und entwarf Gebäude mit sparsamer Fassadengestaltung, die von allen Seiten gleichermaßen ausgebildet waren. Um dieses Konzept und das architektonische Aussehen der Villentypen anderen Bauherren und Architekten als Vorbild nahezubringen, veranlasste Friedrich Wilhelm 1843 die Publikation der Persius-Zeichnungen unter dem Titel „Architektonische Entwürfe für den Umbau vorhandener Gebäude“.

Nach diesem Entwurfsprinzip plante Persius den Umbau des Schiffbauer-Hauses. Die ersten Baumaßnahmen erfolgten im Oktober 1843 und der Teilabriss des Hauses im Frühjahr 1844, dessen Bauaufsicht der Baukondukteur Albert Julius Laucken erhielt. Von dem zweigeschossigen, nach Süden fünf Fensterachsen langen und nach Osten zwei Fensterachsen breiten Haus wurde nur das Keller- und Erdgeschoss behalten. Der Hauseingang auf der Südseite, an der Berliner Straße, bekam einen zweigeschossigen Vorbau mit Rundbogenöffnung im oberen Bereich und flachem Satteldach, dessen Ecken Akroter schmückten.

Villa Schöningen nach der Sanierung 2009.
Villa Schöningen nach der Sanierung 2009.

Die vom Eingangsbereich westlich gelegene Gebäudehälfte mit Satteldach wurde niedriger gehalten als die Ostseitige mit flachem Walmdach. Der zweiachsigen Frontseite nach Osten zur Schwanenallee gab Persius einen dekorativen Akzent durch eine blau ausgemalte Rundbogennische zwischen den Fenstern im Obergeschoss, in der eine weiß gefasste Zinkgussfigur der Minerva aus der Berliner Eisengießerei Moritz Geiß zu stehen kam. Die römische Göttin der Weisheit und Kriegskunst weist auf den Bewohner Kurd Wolfgang von Schöning als Militärexperten hin, der 1856 durch Friedrich Wilhelm IV. den Titel „Historiograph der Armee“ erhielt.

Als Vorbild für die Skulptur diente die marmorne Minerva aus der Sammlung des Kardinals Alessandro Albani, die heute zum Bestand der Dresdner Skulpturensammlung gehört. Die Figur an der Villa Schöningen wurde im Sommer 1999 stark beschädigt als Unbekannte versuchten sie gewaltsam zu entfernen. Nach der Restaurierung steht das Original mit einer Kopie des Kopfes und der Speerspitze seit 2009 in der Ausstellung und eine Figurenkopie in der Rundbogennische. An den Mittelstützen über den Kämpfern der süd- und ostseitigen Fenster sind als weitere dezente Verzierung Frauenfiguren aus gesandeltem Zinkguss angebracht. Im Norden setzte Persius dem Haus als Pendant ein kleineres einachsiges Gebäudeteil hinzu und verband die Bauten mit einem etwas niedriger gehaltenen Zwischenbau in den er den Haupteingang legte. Das Obergeschoss gestaltete er mit einer rundbogigen Loggia. Die Säulengalerie wiederholte sich im Belvedere eines im Zwischenbau integrierten Turms.

Dieser war weniger für die schöne Aussicht gedacht, sondern sollte in der gestaffelten Gebäudegruppe als vertikales Bauteil einen Akzent setzen. Durch die Neugestaltung gelang es Persius dem Wohnhaus nach Süden und Osten zwei Schaufassaden zu geben, wodurch die Villa sowohl von der gegenüberliegenden Schlossanlage Glienicke, als auch vom weiter südlich gelegenen Schloss Babelsberg als Blickpunkt am Ufer des Jungfernsees in alle Richtungen wirkte. Aufgrund seiner Italienreise übertrug Ludwig Persius die künstlerische Bauaufsicht im Januar 1845 an Ferdinand von Arnim und die Oberaufsicht an Friedrich August Stüler, die diese Aufgaben auch nach der Rückkehr und Persius‘ plötzlichem Tod weiterführten. Im Oktober 1845 waren die Umbaumaßnahmen abgeschlossen.

1881/82 kam es erstmals seit dem Umbau durch Persius zu baulichen Veränderungen auf dem Grundstück der Familie Wallich. Nach dem Ankauf einer nördlich angrenzenden Obstwiese und dem Abbruch der verputzten Wagenremise, wurde ein größeres Stallgebäude aus rot-gelb gestreiftem Ziegelmauerwerk mit Kutscherwohnung im Obergeschoss errichtet. Das Grundstück erhielt eine Umfriedung durch eine ebenfalls rot-gelb gestreifte Ziegelmauer, die mit einem Zinkgusslöwen geschmückt war. Es ist nicht sicher von wem die Entwürfe für das Stallgebäude stammten. Ein Berliner Architekt namens H. Richter reichte den Bauantrag ein, war aber vermutlich nur für die Bauausführung verantwortlich. In Frage käme einer der damaligen Oberhofbauräte, entweder Reinhold Persius oder Moritz Gottgetreu. Einhundert Jahre später, 1982, wurde das Stallgebäude wieder abgerissen. Der Zinkgusslöwe ist seit 1992 verschollen.

Die Rote Armee beschlagnahmte die nahezu unbeschädigte Villa 1945, um ein Lazarett für verwundete sowjetische Soldaten einzurichten. Dem Militär folgte 1950 der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), der im Parterre für kurze Zeit Büroräume und im Obergeschoss ein Kinderwochenheim einrichtete, das nach Auszug der Gewerkschaft auch die unteren Räume bezog. Als 1961 die Berliner Mauer gebaut wurde, führte ein Teilstück der befestigten Grenzanlage die Schwanenallee entlang. Der hohe Stacheldrahtzaun, den später eine Mauer aus Betonelementen ersetzte, verlief auf der Ostseite des Hauses in etwa fünfzehn Meter Entfernung von der Haustür parallel zum Grundstück, wodurch die Villa Schöningen innerhalb des Grenzsperrgebietes lag.

Obwohl einige Gebäude in diesem politisch sensiblen Bereich abgerissen wurden, um das „Schussfeld“ der Soldaten zu erweitern, blieb die nur wenige Meter vom Grenzübergang an der Glienicker Brücke stehende Villa erhalten und wurde weiterhin als Kinderwochenheim genutzt, das im Lauf der Zeit auch einige Tageskinder aufnahm. Die Einrichtung betreute beispielsweise Anfang der 1980er Jahre ungefähr 40 Kinder, von denen mehr als zwei Drittel Wochenkinder waren, die von montags bis freitags im Heim blieben.

Nach der Wende bemühten sich die Wallich-Erben um eine Rückübertragung des seit 1983 im Volkseigentum geführten Hauses, das ihnen das Potsdamer „Amt zur Regelung offener Vermögensfragen“ am 20. November 1992 in einer vorläufigen Entscheidung verkündete. Gleichzeitig deutete sich die Schließung des Kinderwochenheims an, die endgültig am 31. Dezember 1994 erfolgte, nachdem die letzten dreizehn Kinder in einer Kindertagesstätte in der nahegelegenen Menzelstraße untergebracht worden waren. Mit dem Potsdamer Haus schloss das letzte Kinderwochenheim, von denen es in der ehemaligen DDR zur Zeit der Wende 1989 noch 65 gab, von ehemals 126 Mitte der 1970er Jahre.

Die Wallich-Erbengemeinschaft verkaufte das Haus 1997 an den Berliner Bauunternehmer und Architekten Dieter Graalfs, der die Villa sanieren und auf dem insgesamt 7.400 m² großen Grundstück fünf weitere Häuser errichten wollte. Nach Ablehnung des Bebauungsplans durch die Potsdamer Stadtverordneten aufgrund der Nähe zum Welterbe, stellte der Bauunternehmer einen Abrissantrag, der ebenfalls abgelehnt wurde. Das durch Leerstand und Vandalismus verwahrloste Haus erwarben Ende März 2007 der Vorstandschef der Axel Springer AG Mathias Döpfner und der Bankier Leonhard H. Fischer, CEO des Finanzinvestors Ripplewood (RHJ International). Nach der denkmalgerechten Sanierung ist in der Villa Schöningen ein Museum eingerichtet, das in einer Dauerausstellung die Geschichte des Ortes zeigt und zeitgenössische Kunst, die in Wechselausstellungen im Obergeschoss präsentiert wird. Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls wurde die Villa am 8. November 2009 durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet.

Quelle: Wikipedia

Dokumenten Information
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Dokument erstellt am 17.02.2009
Letzte Änderung am 17.02.2009
Fotos: Doris Antony/GFDL/CC BY-SA 2.5 und Karsten Knuth/CC BY-SA 3.0