Tecalemit Metallwerk Windelsbleiche

1910 gründeten Karl Oldewurtel, Konrad Bartels und Heinrich Blankenagel mit einem Stammkapital von 250.000 Mark die Kommandit-Gesellschaft „Metallwerk Gebr. Blankenagel“, die im September 1917 in „Metallwerk Windelsbleiche GmbH“ umbenannt wurde. Ein 10.000 qm großes Grundstück, davon etwa 900 bebaut und 75 Mitarbeiter waren die Grundlage dafür. Produziert wurden Fahrradluftpumpen und -ventile, Kopierpressen, Militärbettstellen und in kleinerem Umfang Zahlkassen. Schon nach kurzer Zeit stellte man die Produktion von Kopierpressen ein, erweiterte das Gelände um einen 1.000 qm großen Neubau, der Maschinen für die Herstellung von Bezinpumpen, Kompressionshähnen und Ventilen für die Automobilindustrie aufnehmen sollte. Das Produktportfolio von Fahrradluftpumpen und -ventilen blieb ebenfalls bestehen. 1914 machte der Weltkrieg alle weitere Planungen zunichte, das Unternehmen war gezwungen, die Fertigung auf kriegswichtige Artikel umzustellen. So wurden in der Hauptsache Zünder und Zünderteile für Granaten fabriziert. Die Rüstungsproduktion verlangte eine große Herstellungs-Genauigkeit, für die die Arbeitskräfte besonders geschult werden mussten und sich daraus eine Stammbelegschaft mit Spezialkenntnissen formte.

In den Folgejahren fertigte das Werk zusätzlich zu den bewährten Produkten neben Zubehörteilen für die Automobilindustrie auch Wasserarmaturen und Blumenspritzen, zeitweise auch Schloßsicherungen. Als diese Produktion den Hauptbedarf der Nachkriegsjahre überstieg, suchte man neue Vertriebswege und Artikel – diese fand man 1922 in der Hochdruckschmierung. Das Metallwerk Windelsbleiche gründete gemeinsam mit der Firma Meyrel in Breisach die „Meyrel & Co. GmbH“ und fertigte gemeinsam Artikel der Hochdruckschmierung (Verbindungen zwischen Fettpresse und Schmiernippel) – nutze den Breisacher Partner als Vertriebsfirma. 1929 ging die Gesellschaft in den alleinigen Besitz der Senner über. Neben Opel und Dürkopp gehörte dann auch ab 1925 die gesamte Automobilindustrie zum Kundenkreis. 1931 übernahm man das Wiesbadener Unternehmen „Metrolub“ – welches ebenfalls Erfolge in der Hochdruckschmierung verbuchen konnte. Somit festigte und baute das Metallwerk Windelsbleiche seine Führungsposition auf dem Gebiet der Hochdruckschmierung aus.

Ende des Jahres 1931 gründeten die Senner in Gemeinschaft mit den schweizer Inhabern der Tecalemit S.A., Paris, Joseph F. Christe und Emile Piquerez die „Deutsche Tecalemit Gesellschaft m.b.H.“, die seit diesem Zeitpunkt die Vertriebsgesellschaft wurde. Die Feierlichkeiten zum 25. Firmenjubiläum mussten in diesem Jahr aufgrund des Todes von Karl Oldewurtel entfallen. Von 1932 bis zum Kriegsausbruch 1939 übernahm Dr. August Schumacher die Geschäftsführung der Vertriebsgesellschaft. 1933 schied Konrad Bartels aus, der in den Ruhestand ging. Die 30er Jahre brachten für das Senner Unternehmen einen rasanten Aufwärtsschwung, Spezialdienste wie die Fußpresse – oft in Verbindung mit Tankstellen – machten dies möglich.

1935 gründete sich ein werkseigener Chor, aus den kleinen Anfängen wurde ein großer Betrieb. 1937 wurde eine längst notwendig gewordene Fabrik- und Büroerweiterung vor – die letzte vor dem Krieg. 1939 ersteckten sich verschiedene Gebäude von insgesamt 8.000 qm auf einem 57.500 qm großen Gelände. Die Belegschaft zählte 680 Mitarbeiter. Viele Männer wurden als Soldaten einberufen und die Frauen und Mädchen übernahmen ihre Arbeit, wie es 1914 die Mütter getan hatten. 109 Mitarbeiter kehrten aus dem Krieg nicht zurück, von denen auch viele Jahre später noch 43 als vermisst galten. Von Kriegszerstörungen blieb das Metallwerk erfreulicherweise so gut wie verschont. Trotzdem mußte ein Neustart unternommen werden. Im Juni 1945 erhielt man von der Militärregierung die Genehmigung, in beschränktem Maße die Produktion wieder aufzunehmen. Die Aufräumarbeiten – Fabrik und Verwaltungsgebäude dienten seit Ostern 1945 längere Zeit den amerikanischen und später auch den englischen Truppen als Unterkunft für Transporterkolonnen – waren sehr aufwändig. In den Folgejahren wurde die Artikelpalette konsequent ausgebaut und auch das Werksgelände mit weiteren Bauten vergrößert.

Ende 1958 entschloß man sich zu einem Vorstoß auf den Kunststoffsektor und fertigte nach neuzeitlichen Produktionsmethoden auf selbst hergestellten Fertigungsstraßen Nylonschläuche, die höchsten Ansprüchen genügten. Auch Spritzgussteile wurden im eigenen Maschinenpark hergestellt. Auch die sozialen Einrichtungen verbesserten sich. Neben der Großküche, die 600 Werksarbeiter versorgte, stand ein großzügig eingerichteter Sanitätsraum zur Verfügung, der vom Betriebsrat verwaltet wurde. Auch bestand neben der eigenen Betriebskrankenkasse eine Unterstüzungskasse für Alters-, Geburten- und Sterbebeihlfe. Das Werk gewährte baufreudigen Belegschaftsmitgliedern viele 7 c-Darlehen und finanzierte Eigentumswohnungen mit. Eine gut sortierte Bibliothek stand zur Verfügung und die Belegschaft war Mitglied der Volksbühne. Auch eine eigene Werksfeuerwehr war auf dem Gelände angesiedelt.

Im März 1956 starb der Mitbegründer Karl Oldewurtel. Die Geschäftsführung teilten sich fortan Dipl.-Ing. Serge Balmer (Metallwerk Windelsbleiche) und Oldewurtels Schwiegersohn Dipl.-Kfm. Friedrich Ribbert (Deutsche Tecalemit-Gesellschaft). Die Produktion des Werkes stand von der Gründung bis in die 70er Jahre unter dem Motto „Sicherheit über Alles“.

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In den letzten Jahren der Existenz fand regelmäßig ein Flohmarkt auf dem Gelände statt. Ein amerikanisch-englischer Mischkonzern hatte 2011 das Gelände gekauft und 2012 abreißen lassen. Dieser will die neu entstandene Brachfläche weder neu bebauen oder verkaufen, sondern umzäunen, beleuchten, bewachen und als Lagerfläche vermieten. In der Bevölkerung hatten diese Pläne für das so zentral gelegene, historische Areal Empörung ausgelöst. Über Monate waren durchschnittlich 20 Abbrucharbeiter und sechs Bagger im Einsatz. Bestehen blieb nur die ehemalige Metallwerke-Hauptverwaltung.

Quellen: Festschrift 1910-1960 – Lippert/Bielefeld, Westfalen-Blatt, privat

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Dokument erstellt am 15.07.2012
Letzte Änderung am 03.07.2014

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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.