Nachgefragt bei: Claudia Franke

Die Augsburgerin Claudia Franke hat nicht nur eine Leidenschaft für Züge, in diesen sie ihre Hauptmotive fand, wenn sie auf Fototour ging. Seit einiger Zeit hat sie auch ehemalige Bahnanlagen und Industrieruinen für sich entdeckt und zeigt ihre Werke auf der Webseite www.relikte-der-zeit.de . Auf den Betrachter warten tolle Motive aus teilweise surrealen Blickwinkeln. Wir haben nachgefragt.

rottenplaces: Claudia, woher kommt die Faszination, verfallene Gebäude und Objekte zu fotografieren?

Franke: Als ich noch ein Kind war, merkte ich schon, dass mich stillgelegte Objekte faszinieren und mich auch die Geschichte dahinter interessiert. Wir wohnten in einer Stadt, in der direkt ein verlassenes Milchwerk stand. Es war sehr interessant zu beobachten, wie es sich im Laufe der Jahre veränderte. Man erinnert sich noch daran, wie hier noch die großen Milchtanker auf das Gelände fuhren. Irgendwann blieben diese aus und das Objekt verfiel immer mehr. In der örtlichen Presse erschienen ständig Zeitungsartikel über die Nachnutzung dieses Geländes. Durch die Lage in der Stadt war es aber von Vandalismus nicht gerade verschont und so habe ich das Objekt bis zum Abriss begleitet. Leider ohne je ein Bild davon gemacht zu haben. Irgendwann sah ich dann auch im Internet rein zufällig, das es immer mehr Leute gibt, die Fotos von genau solchen stillgelegten Objekten machen, diese im Internet zeigen und sich zu Gruppen zusammenschließen und sich austauschen. Fortan wollte ich auch solche Veränderungen an einem Objekt fotografisch festhalten, schaute mich intensiv im Internet um und legte los.

rottenplaces: Fotografen, die ihre Berufung in der extravaganten oder urbanen Fotografie sehen, durch verlassene und teilweise einsturzgefährdete Gebäude streifen, werden sofort dem Urban Exploring zugeteilt. Würdest du das so unterschreiben oder ordnest du dich lieber als Fotografin zu Dokumentationszwecken ein?

Franke: Nun, durch die Medien wird das „urbexen“ jedem zugeteilt. Ob das nun die Familie ist, die an einem Wochenende eine alte Ruine im Wald entdeckt oder ob das die Fotografen sind, die gezielt Objekte begehen und sich im Vorfeld mit der Geschichte dieses Objektes beschäftigt haben. Ich selbst ordne mich beiden Bereichen zu. Es ist interessant, was es in den Ruinen zu entdecken gibt, aber die Fotos stehen auch bei mir im Vordergrund. Mir ist es wichtig, den Betrachtern der Fotos einen Gesamteindruck des Objektes zu vermitteln. Ebenso wichtig ist es mir, die dort ehemals herrschenden Arbeitsbedingungen zu zeigen, ebenso wie die Infrastruktur innerhalb einer Fabrik (Papierfabrik beispielsweise). Die extravagante Sichtweise der Objekte bleibt jedenfalls jedem Selbst überlassen. Aber eine natürliche Ansicht ist mir am liebsten.

rottenplaces: Auf deiner Webseite finden sich beeindruckende Gebäude, deren Glanzzeit längst verflogen ist. Einige wurden mittlerweile bereits abgerissen. Erinnerst du dich noch an dein erstes Objekt – welches war das – und wie war das Gefühl, ein solches zu erkunden?

Franke: Mein erstes richtiges Objekt, wo ich mit einer Kamera unterwegs war, war ein altes Bahnbetriebswerk in München. Ich kannte es noch durch meine Ausbildung zur Lokführerin. Es war zwar während meiner Ausbildung schon lange stillgelegt, aber wir übten dort an den alten Gleisen und Weichen. Durch ein dort stattfindendes Fotoshooting, welchem wir zufällig begegneten, konnten wir uns das Werk eines Tages von innen in Ruhe ansehen. Es war einfach ein tolles Gefühl, in diesen alt ehrwürdigen Hallen zu stehen, die Luft dort zu schnuppern und alles zu erkunden. Von den Sozialräumen, den diversen Schiebebühnen und Kränen, der Lackiererei, den Gruben. Es war sehr beeindruckend und schon was Besonderes. Zumal eine Nachnutzung bzw. der Abriss dieses Objektes schon länger feststeht.

rottenplaces: Deine Fotografien werden auf deiner Webseite überwiegend in Farbe veröffentlich, du setzt gerne den Colorkey Effekt* ein. Warum entscheidest du dich für diese Art der Darstellungen?

Franke: Nun, die Wahl der Bearbeitung ist meist willkürlich gewählt. Den Colorkey Effekt habe ich besonders am Anfang genutzt, als es galt, die eher langweiligeren Motive aufzupeppen und besondere Details hervorzuheben. Gerne nutze ich diesen Effekt hin und wieder noch, aber mir sind natürliche Fotos in dezenter Bearbeitung mittlerweile am liebsten.

rottenplaces: Bei vielen Themen gehen die Meinungen auseinander. Welchen Fotografen man auch nimmt, der eine lichtet die Gebäude nur von außen ab, der andere legt Wert auf eine bunte Mischung zwischen Innen- und Außenaufnahmen und wieder andere dokumentieren fotografisch jeden Winkel und noch so kleinen Raum. Auch bei dir gibt es eine „bunte“ Mischung. Wie ist deine bevorzugte Herangehensweise?

Franke: Es kommt immer darauf an, was sich vor Ort ergibt. Meistens werden beim Herangehen an das Objekt bereits vereinzelte Außenaufnahmen gemacht, meistens folgen die richtigen Außenaufnahmen aber am Schluss aus taktischen Gründen. In einer Ruine lasse ich die Atmosphäre erst einmal auf mich wirken und laufe dann mit der Kamera Raum für Raum und Etage für Etage ab. Dabei fotografiere ich, was gefällt und was sehenswert ist. Dabei lege ich allerdings keinen großen Wert darauf, jede Ecke und jedes Detail genauestens abzulichten, der Gesamteindruck muss bei den Fotos hervortreten. Es gibt auch Objekte, die beinhalten zahlreiche Fotomotive, die dann natürlich ausführlich im Detail fotografiert werden. Wieder in anderen Ruinen sind es die Gesamtaufnahmen der einzelnen Räume und Hallen, die richtig wirken. Mir ist bei allen Begehungen wichtig, dass ich mit einem guten Gefühl herausgehen kann und mich nicht zu Hause am Laptop über die Fotos oder gar nicht vorhandenen Fotos ärgern muss.

rottenplaces: Welche Kamera(s) werden von dir bevorzugt eingesetzt und was für ein Equipment nutzt du?

Franke: Anfänglich nutzte ich noch die Canon EOS 300D, mittlerweile bin ich bei der Canon EOS 40D angekommen, die meine Erwartungen völlig abdeckt. Weiterhin nutze ich ein Manfrotto-Stativ (055-RNAT-Stativ mit Fotokopf) oder auch ein Silk Sprint Pro EZ, welches mich besonders bei Anreisen mit dem Zug begleitet. Neben diversen kleinen Equipments wie große Speicherkarten und Fernauslöser habe ich auch ein Weitwinkelobjektiv von Sigma, das 10-20 mm / F4-5,6 EX DC HSM Canon. Mit diesem mache ich auch sehr gerne Aufnahmen. Als Standardobjektiv habe ich allerdings noch das Kitobjektiv von Canon, EF 18-55 mm F/3.5-5.6. Eine Anschaffung eines neuen und guten Standardobjektives ist bereits in Planung.

rottenplaces: Fotografinnen wie du sehen auf ihren Fototouren viel Vandalismus und kriminelle Energie, die den Gebäuden arg zugerichtet hat. Teilweise sind solche, nicht nachvollziehbaren Entgleisungen der Grund für die Zerstörung und das Ende ganzer Objekte. Das Resultat sind komplexe Sicherheitsvorkehrungen der Eigentümer und harte Strafen für Fotografen, die ohne spezielle Genehmigung diese Objekte betreten. Wie ist deine Meinung zu diesem Thema?

Franke: Das ist ein Thema, welches bei mir Kopfschütteln auslöst. Es sind genau diese rücksichtslosen Leute, die den Fotografen wie wir es sind, die Freude nehmen. Oft wird man mit diesen zerstörungswütigen Menschen über einen Kamm geschert, wenn man eine Ruine begeht. Anwohner und andere machen da keinen Unterschied, obwohl es ersichtlich ist, was wir mit Kamera und Stativ dort drin möchten. Doch genau hier sollte auch meines Erachtens nach eine Grenze gezogen werden. Wir Fotografen möchten nur Fotos machen und verlassen die Objekte so, wie wir sie vorgefunden haben. Oft ist es auch so, das Objekte im Internet auftauchen und sie wenig später von diversen Leuten regelrecht überrannt werden. Nicht jeder ist dabei nur interessiert an Fotos. Man stellt im Laufe der Zeit fest, dass dann viele Kleinigkeiten verschwinden. Seien es uralte Messarmaturen an Maschinen oder sonstige Dinge. Man kann auch öfters erkennen, wie einiges zerstört wird nach und nach.

Für so was habe ich einfach kein Verständnis! Es ist in Ordnung, wenn jemand ein Interesse daran hat, wertvolle und historische Dinge zu retten und zu erhalten, wie eine Dampfmaschine beispielsweise. Aber es gibt auch Leute, die diese Absicht nicht haben, sondern nur aus Profitgier Teile entwenden und diese im Internet verkaufen. Oder solche Gegenstände einfach nur zertreten, kaputt schlagen, sich dabei filmen und diese Videos ins Internet hochladen. Die Folgen sind dank solcher rücksichtslosen und hirnlosen Taten meist bedenklich. Von wachsamen Anwohnern und Besitzern und einer erhöhten Gefahr für uns Fotografen bis hin zu kompletten Schließungen der Objekte. Es ist schon nachvollziehbar, das ein Eigentümer sein Objekt schützen möchte und auch muss. Aber nicht, wenn dies erst durch Vandalismus und massiven Diebstählen geschehen muss.

rottenplaces: Du hast auf deinen Touren in verschiedene Städte bereits viel gesehen und erlebt, darunter Highlights wie zahlreiche, ehemalige „Volkseigene Betriebe (VEB)“ und auch Zechenkomplexe. Gibt es eine Location – wo auch immer – die du gerne einmal aufsuchen würdest?

Franke: Da gibt es noch einige Objekte, die ich sehr gerne einmal aufsuchen möchte. Zu meinen Lieblingsobjekten zählen eindeutig industrielle Brachen und hier speziell die VEBs im Osten. Meine ToDo-Liste reicht von Zechen bis hin zu kleinen noch eingerichteten Werkstätten im tiefen Osten. Leider ist es nicht einfach, die Objekte noch zeitnah zu besuchen, die Abrisstätigkeit gerade in Ostdeutschland nimmt aktuell sehr stark zu.

rottenplaces: Welche Ratschläge gibst du Einsteigern, die auch von diesem Virus – der extravaganten oder urbanen Fotografie, infiziert worden sind?

Franke: Auf jeden Fall nicht aufgeben und die Kamera in den Sand werfen! Am Anfang ist man noch unerfahren und nimmt Rückschläge teilweise schlecht auf. Oft sind es die nicht so ganz guten Vorbereitungen oder die etwas grobe Vorgehensweise bei einer Begehung und die unterschätzte Vorsicht. Und man ist am Anfang natürlich sehr euphorisch und möchte sofort alles sehen. Das geht nicht und dem sollte man sich bewusst werden. Lieber erst einmal mit einem kleinen und leichteren Objekt anfangen und sich nach und nach auch an schwierigere Objekte heranwagen. Mit der Zeit kann man sich auch mit verschiedenen Hobbykollegen zusammenschließen, Gruppen bilden und sich austauschen.

rottenplaces: Was gibt es demnächst von Claudia Franke zu lesen, sehen oder hören, bzw. wie lauten deine Zukunftspläne?

Franke: Natürlich möchte ich weiterhin meinem Hobby nachgehen, auch wenn die Rahmenbedingungen mittlerweile für mich schwer geworden sind. Meist muss ich erst einmal weiter reisen, denn in Bayern gibt es kaum sehenswerte Objekte. Auch möchte ich nicht alleine auf Touren gehen, gerade wenn etwas passiert, wäre es sehr ungünstig, niemanden dabei zu haben. Auch das ist nicht sehr einfach, gerade bei mehrtätigen Touren jemanden zu finden. An meiner Homepage arbeite ich auch derzeit an einem „Redesign“, dies wird nach rund drei Jahren im Internet auch Zeit.

Wir danken Claudia Franke für dieses Interview.

Das Interview führte André Winternitz

*Der Colorkey Effekt hebt in einem monochromen Bild, z.B. einer s/w Fotografie, einen bestimmten Teil des Bildes farblich hervor. Somit kann man hiermit ein eventuell „langweiliges“ Bild ein wenig aufwerten.

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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.