Nachgefragt bei: Markus Kammerer

Markus „Carismarkus“ Kammerer. Foto: Kammerer

Markus „Carismarkus“ Kammerer ist vierzig Jahre jung, kommt ursprünglich aus dem badischen Offenburg, lebt und arbeitet als als Teamleiter in Bern (Schweiz). „Carismarkus“ – so nennt sich der Wahl-Berner, wenn es um die kreative Phase der Fotografie geht. Denn diese ist für ihn eine Passion. Eine Passion, für die Kammerer bereits mehrfach ausgezeichnet wurde, seine bildstarken Werke wurden bisher in ganz Europa ausgestellt. „Carismarkus“ liebt „Lost Places“ – verlorene Orte. Diese dokumentiert er seit Jahren mit der Kamera. Nachdem der leidenschaftliche Hobbyfotograf fünf Jahre in Europa unterwegs war, war es an der Zeit, die entstandenen Werke auch einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Das Feedback, welches Kammerer auf internationalen Ausstellungen einholen konnte, bestätigte ihn nach eigenen Angaben immer wieder darin, dass sich gerade auch Menschen ausserhalb der „Szene“ für diese Art von Fotos interessieren. Wir haben nachgefragt …

rottenplaces: Woher kommt Ihre Leidenschaft für verlassene Orte und Plätze?

Kammerer: Vor den Lost Places habe ich wesentlich mehr Models fotografiert. Ursprünglich war die Idee, Lost Places als coole Locations für Model-Shootings zu verwenden. Davon bin ich dann aber relativ schnell abgekommen und habe nur noch diese faszinierenden Plätze aufgenommen. Zwischenzeitlich habe ich doch einige sehr stilvolle Akt-Shootings in verlassenen Orten durchgeführt.

rottenplaces: Was fasziniert Sie besonders an der Lost-Place-Fotografie?

Kammerer: Das Licht, wenn es durch verlassenes Gemäuer scheint. Es ist ein ganz anderes wie in alltäglichen Umgebungen. Ebenso ist es aber auch die Herausforderung: Unbekanntes Gebäude, unbekannte Motive, unbekannte Lichtsituation – mach was draus, Du hast 30 Minuten Zeit. Auch ein Grund, warum ich bei schlechtem Wetter eigentlich nicht mehr auf Tour gehe: Die Fotos gefallen mir hinterher nur selten.

rottenplaces: Wie wählen Sie die Orte, bzw. Objekte aus, die Sie besuchen? Und welche Kenntnisse haben Sie im Vorfeld über selbige?

Kammerer: Das ist sehr unterschiedlich. Durch die Vernetzung in der Szene habe ich inzwischen eine gute Datenbasis. Oftmals schaue ich, welche Gegend mich gerade reizen würde und was es dort auch sonst noch so gibt, schliesslich besteht das Leben ja nicht nur aus Lost Places. Ebenso versuche ich im Vorfeld auch Gefahren jeglicher Art so gut es geht auszuschliessen und lasse auch lieber mal einen Ort aus. Vor allem falls nicht sicher ist, ob der Ort überhaupt verlassen ist gilt das schon aus Respekt.

rottenplaces: Welche Orte oder Plätze haben sich bei Ihnen besonders eingeprägt?

Kammerer: Eigentlich alle, in denen ich beim Betreten„Wow“ gedacht habe – und die Liste ist lang. Chernobyl, ganz klar. Auch das sehr bekannte „Hunters Hotel“, welches ich gerade Anfängern gerne empfehle, ist immer wieder schön. Beim „Chateau Lumière“ war ich glücklich, es noch in einem verhältnismässig guten Zustand gesehen zu haben – es war seinerzeit sicherlich einer der schönsten Lost Places in Mitteleuropa.

rottenplaces: Ihren aktuellen, dreisprachigen Bildband „Vergessene Schätze“ haben Sie im Selbstverlag realisiert. Warum?

Kammerer: Nach dem positiven Feedback, das ich auf Ausstellungen und Fotowettbewerben erhalten habe, wollte ich mal etwas anderes als nur einzelne Fotos zeigen. Die Idee hatte ich schon vor längerem, während der Kurzarbeit im ersten Corona-Lockdown hatte ich dann aber auch Zeit und Musse dafür. Da das Thema an sich schon sehr speziell ist, habe ich mich direkt für den Eigenverlag sowie einer Finanzierung per Crowdfounding entschieden. Somit hatte ich inhaltlich, qualitativ wie auch optisch die volle Kontrolle, was mir sehr viel bedeutet.

rottenplaces: Nach welchen Kriterien haben Sie die veröffentlichten Motive für Ihren Bildband und die zugehörigen Kategorien ausgewählt?

Kammerer: Würde ich mir das Bild an die Wand hängen? Ist es einfach nur abfotografiert oder erzählt es auch ohne Worte eine Geschichte? Kann ich es länger als 3 Sekunden anschauen und entdecke noch ein neues Detail darin? Trägt es dazu bei, dass jemand das Buch auch in ein oder zwei Jahren nochmals freudig in die Hand nimmt oder gleich als „Coffee Table“ Buch draussen liegen lässt? Die Frage „Wie spektakulär ist dieser Ort“ gab es hingegen nicht, da ich gerne auch ruhige Motive verwende, die zum Verweilen einladen.

rottenplaces: Nutzen Sie für Ihre Motive spezielle Filter oder entsprechende Fototechniken?

Kammerer: Ich bin absolut untalentiert, was Bildmanipulation angeht. Also muss ich vor Ort gleich „das Foto“ in „den Kasten“ kriegen. In aller Regel verwende ich Stativ und mache eine Belichtungsreihe mit +/-2EV. Diese werden als HDR zusammengefügt und dann lediglich noch im RAW-Entwickler angepasst. Ziel ist immer ein realistisches Ergebnis. Viel wichtiger als Filter & Co. ist finde ich, dass man mit seinem Equipment blind umgehen kann und dessen Stärken und Schwächen kennt. Damit holt man mindestens genauso viel heraus wie mit einem hohen technischen (und meist auch finanziellen) Aufwand. Die meisten Bilder in meinem Buch sind übrigens mit der Pentax K-1 aus 2016 und gerademal zwei verschiedenen Linsen entstanden.

rottenplaces: Wie ist die Resonanz auf Ihren Bildband bisher?

Kammerer: Fachlich hat es schon für einige Annahmen, Urkunden und eine Medaille bei Wettbewerben gereicht. Das schönste Feedback ist aber immer das direkt, welches man vor allem auf Ausstellungen bekommen. In Frankreich hatte ich Anfang 2020 einen Dialog mit einer Besucherin, der mir sehr viel bedeutet hat. Sie hat meine Fotos recht intensiv betrachtet, vor allem eines. Bei diesem sagte sie zu mir „Das ist das beste Foto“. Ich: „Dankeschön, es ist auch mein persönlicher Favorit“ worauf sie antwortet: „Nein, ich meine nicht das beste von ihnen, auf der ganzen Ausstellung“. Wohlgemerkt waren etwa 1.000 Fotos ausgestellt.

rottenplaces: Wie können Interessierte Ihren Bildband erwerben?

Kammerer: Den gibt es direkt bei mir unter https://carismarkus.de/das-buch/ oder auch einfach per eMail an foto[at]arismarkus.de.

rottenplaces: Haben Sie einen weiteren Bildband geplant und welche Projekte stehen in diesem Jahr an?

Kammerer: In der Schweiz gibt es leider kaum spannende Gebäude mit der „Beauty of decay“ und wie es mit Reisen aussieht, das muss sich erst noch zeigen. Zum Glück wird es einem als Fotograf auch so nie langweilig. Gerne möchte ich auch noch an meiner bereits erwähnten Akt-Serie in verlassenen Orten arbeiten. Und wenn es passt, diese auch gerne später als Buch veröffentlichen.

Wir danken Markus „Carismarkus“ Kammerer für das Interview.
Das Interview führte André Winternitz.

Markus „Carismarkus“ Kammerer
Vergessene Schätze
Fotobuch, Hardcover, 124 Seiten DIN-A4 quer,
Vierfarb-Druck, glänzendes Papier mit 170g/m².
Alle Texte sind in Deutsch, Französisch und Englisch.
www.carismarkus.de