Nachgefragt bei: Markus Watterott

Markus Watterott zeigt seine Sichtweise als Urban Explorer mit beeindruckenden Bildern auf seiner Webseite www.altesundvergangenes.de . Seine Leidenschaft ist die sorgfältige Dokumentation vergessener Orte und verfallener Objekte aller Art, um diese in ihrer eigenen Ästhetik virtuell zu verewigen und diese einer breiten Zielgruppe zugänglich zu machen. Ob Industrieruinen, architektonisch prächtigen Gebäuden oder auch schon Mal ein verlassenes Dorf, Watterott zeigt eine fotografische Vielfalt bis ins Detail.

rottenplaces: Markus, du hast deine Leidenschaft für die Erkundung und Fotografie verfallener und maroder Gebäude entdeckt. Wie bist du gerade auf dieses Hobby – Urban Exploration – gekommen?

Watterott: Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Verlassene/marode Gebäude reizten mich schon immer: Der Reiz des Unbekannten, die Frage, was sich im Inneren verbirgt, das Abenteuer sie zu „erforschen“. Allerdings habe ich das früher nicht so aktiv verfolgt, zwischendurch dienten alte Hallen als Hintergründe für andere Motive, aber noch nicht als Hauptmotiv. Wirklich aktiv wurde es als ich von der Kompaktkamera zu einer DSLR wechselte um mit ihr zu experimentieren, da wurde direkt ein altes Kasernengelände besucht und sofort war es endgültig um mich geschehen: die Stimmung wie sie sich dort bot hat mich komplett gefangen, seitdem gehe ich diesem Hobby richtig nach, seitdem möchte ich diese Orte im Bild festhalten.

rottenplaces: Auf deiner Webseite zeigst du zahlreiche Objekte, erkundest die historische und soziale Dimension eines Ortes, findest Spuren, die dort arbeitende Menschen hinterlassen haben. Wie wirken diese Einflüsse und Eindrücke auf dich, wenn du so einen Ort besuchst?

Watterott: Das ist vom Ort abhängig, es können vielfältige Eindrücke sein: Nachdenklich, bedrückend, spannend, sie lassen mich in der Gedankenwelt abtauchen in die Zeit, als das Objekt noch genutzt wurde. Wer waren die Menschen dort? Was haben sie getan? Was für eine Geschichte versteckt sich dahinter? Wenn die Mauern reden könnten, was würden sie mir erzählen? Das konkret zusammenzufassen ist schwer! Bei allen Objekten gemeinsam ist es die Faszination der doch ganz eigenen Welt die sich oft in solchen Objekten einem eröffnet wenn man sich darauf einlässt.

rottenplaces: Fototouren benötigen eine konsequente Vorbereitung. Wie bereitest du dich auf ein Objekt vor, welche Herangehensweisen hast du dabei und wie lange nimmst du dir für die Planung Zeit?

Watterott: Das hängt stark von den Objekten ab, ich versuche auf jeden Fall im Vorfeld abzuschätzen was mich vor Ort erwartet – das geht sicherlich nicht zu 100 Prozent, aber zumindest die Geländebedingungen, die Lage zu anderen Gebäuden, möchte ich bestmöglich kennen. Dazu gehört auch die Rücksprache mit anderen, die bereits vor Ort waren, um evtl. Besonderheiten zu erfahren, auf die man achten sollte. Wenn es weiter entfernt ist, schaue ich, was sich evtl. noch in der Nähe befindet, sodass ich Alternativen habe falls das Objekt, aus welchen Gründen auch immer nicht betretbar ist. Auf keinen Fall wird so geplant, das Zeitnot entstehen kann, man weiß ja nie was sich alles in einem Objekt offenbart und wie viel Details sich einem dort bieten. Bei allen Touren achte ich natürlich auch immer auf angepasste Kleidung, das ist Pflicht. Ansonsten habe ich die Kamera eigentlich immer bei mir, sollte sich mal zufällig etwas ergeben.

rottenplaces: Ist auf einer deiner Touren schon einmal etwas Merkwürdiges oder Ärgerliches passiert und wenn ja, was?

Watterott: Hmmm, toitoitoi, bisher ist immer alles gut gegangen – an etwas wirklich Merkwürdigem kann ich mich nicht erinnern. Sicherlich passierte das eine oder andere ärgerliche, nichts Tragisches: Eine Taschenlampe, deren Batterien dann doch nicht mehr so voll waren, wie ich dachte, oder einmal das Stativ, das doch nicht im Kofferraum lag und ich so dann vor Ort bei Dämmerlicht irgendwie improvisieren musste, um bei den längeren Belichtungszeiten nicht zu verwackeln.

rottenplaces: Bei vielen Themen gehen die Meinungen auseinander. Welchen Fotografen man auch nimmt, der eine lichtet die Gebäude nur von außen ab, der andere legt Wert auf eine bunte Mischung zwischen Innen-, Außen und Makroaufnahmen und wieder andere dokumentieren fotografisch jeden Winkel und noch so kleinen Raum. Auf deiner Webseite gibt es auch eine „bunte“ Mischung an verfallenen Objekten. Wie ist deine bevorzugte Herangehensweise?

Watterott: Da gibt es kein festes Schema und ergibt sich vor Ort oft von ganz alleine, so wie sich mir das Objekt zeigt: Daraus ergibt sich für mich die suche nach Motiven, die den aktuellen Zustand des Objektes darstellen und seine Geschichte erzählen. Das kann bei Industriebrachen eine Aufnahme der riesigen Halle, oder aber auch nur mal eine Detailaufnahme von einem Manometer sein – bei Häusern ist es evtl. die noch vorhandene Couch oder der Türdrücker. Nur auf Innenaufnahmen oder nur auf Außenaufnahmen will ich mich nicht beschränken, ob ich die Außenaufnahmen veröffentliche, hängt dann allerdings vom Objekt ab. Eindeutige Hinweise wie Firmen-Logos/Schriftzüge oder Ortshinweise mache ich unkenntlich, bzw. zeige sie gar nicht.

rottenplaces: Wer perfekte Bilder fertigen möchte, braucht die nötige Fotoausrüstung. Welche Kamera(s) setzt du auf deinen Fototouren ein und was für ein Equipment wird von dir bevorzugt?

Watterott: Aktuell nutze ich eine Canon EOS50D mit Batteriegriff. Hauptobjektiv ist ein Tamron 17-50mm 1:2.8, manchmal ist zusätzlich noch ein Canon 55-250 Tele dabei. Ansonsten besteht meine Ausrüstung aus einem „Lowepro Flipside 300“-Rucksack, HDR-Jack (für das bequemere Erstellen von Belichtungsreihen), Funkfernauslöser, Taschenlampe, Blitzgerät (wobei ich wie viele andere auch lieber mit der Taschenlampe ausleuchte), Stativ (Manfrotto-Stativ mit Manfrotto-Kugelkopf) und natürlich Ersatzakkus und Ersatz-Speicherkarten.

rottenplaces: Fotografen wie du sehen auf ihren Fototouren zu verfallenen Objekten viel Vandalismus und kriminelle Energie, die den Gebäuden arg zugerichtet hat. Teilweise sind solche, nicht nachvollziehbaren Entgleisungen der Grund für die Zerstörung und das Ende ganzer Objekte. Das Resultat sind komplexe Sicherheitsvorkehrungen der Eigentümer und harte Strafen für Fotografen, die ohne spezielle Genehmigung diese Objekte betreten. Wie ist deine Meinung zu diesem Thema?

Watterott: Vandalismus ist schlimm, es ist mir unverständlich, warum Menschen sich so sinnlos auslassen müssen und völlig hirnlos Dinge zerstören. Ich kann das absolut nicht nachvollziehen, wo kommt dieser mangelnde Respekt vor den Dingen und der Geschichte dahinter her? Dass hier die Eigentümer entsprechend reagieren und ihr Objekt zu schützen versuchen ist völlig verständlich. Schade ist, das darunter alle Leiden: So wird der Mensch, der sich dort nur umschaut, um das Objekt auf sich wirken zu lassen und es nur im Bild festhalten möchte auch erst mal mit den anderen über einen Kamm geschert. Auf den ersten Blick ist es sicher schwer zu erkennen, was jemand im Schilde führt, aber wenn einer eine Kameraausrüstung bei sich trägt, ist nicht davon auszugehen das dieser mit ihr Fenster einschmeißen will – hier sollte und muss differenziert werden. So bin ich mir als Fotograf in so einem Objekt auch bewusst, das ich mich dort mit Vorsicht bewegen muss, das dort gewisse Gefahren auf mich lauern können: Ich mache das auf mein eigenes Risiko und hier darf auch nicht der Eigentümer in die Verantwortung gezogen werden, wenn mir etwas passiert.

rottenplaces: Wenn du die Möglichkeit hättest, zu einer ganz besonderen Tour deiner Wahl aufzubrechen, gibt es eine Location – wo auch immer – die du gerne einmal aufsuchen würdest?

Watterott: Viele – eine ganz spezielle mag und kann ich gar nicht nennen, gerne möchte ich mal eine intensivere Tour z.B. nach Belgien machen. Reizvoll fände ich es, ein Objekt in seinem Leben zu begleiten, immer mal wieder vorbeizuschauen um den sich verändernden Zustand festzuhalten.

rottenplaces: Auf deiner Webseite findet man eine große Vielfalt an Gebäuden und Objekten aller Art. Hast du persönlich Locations, die du bevorzugt oder besonders gerne aufsuchst, also z.B. Ziegeleien, Kokereien oder Villen etc.?

Watterott: Nein, wirklich eindeutige Vorlieben gibt es da nicht, jedes Objekt hat seinen eigenen Reiz. Was ich gerne zwischendurch mache, ist das Aufsuchen von Locations an denen manche vorbeigehen, weil sie zu leer oder zu „gerockt“ sind, aus diesen Objekten doch noch etwas herauszukitzeln ist ein ganz besonderer Reiz – hier muss man sich oft noch intensiver auf das Objekt einlassen, als auf eins das einen mit Details überschüttet.

rottenplaces: Was gibt es demnächst von Markus Watterott zu lesen, sehen oder hören, bzw. wie lauten deine Zukunftspläne?

Watterott: Konkrete Pläne gibt es nicht, Ideen aber einige – mal schauen was sich davon umsetzen lässt, Videos zu den Locations z.B. möchte ich verstärkt mit aufnehmen. Natürlich möchte ich noch mehr Objekte besuchen und zeigen, um so altesundvergangenes.de stetig weiter auszubauen.

Wir danken Markus Watterott für dieses Interview.

Das Interview führte André Winternitz

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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.