Nachgefragt bei: Andre Miedema

Der Niederländer Andre Miedema ist für viele kein Unbekannter wenn man das Thema Urban Exploring anschneidet. Der freundliche Unternehmer aus Groningen lebt das Thema Urbex wie wenige andere. Wenn er mal nicht auf Fototour in ganz Europa unterwegs ist, dann gilt seine Leidenschaft dem Forum www.urbexnederland.nl , dessen Gründer er ist sowie seiner Webseite www.heeftmeer.nl , die er mit beeindruckenden Fotos von seinen Touren bestückt. Diese zeigen, welche Leidenschaft und auch fotografisches Können hinter der Arbeit des Niederländers steckt. Ganz nebenbei veranstaltet Miedema noch ein jährliches Urbex-Meeting, veröffentlicht ein Urbex-Magazin und eigene E-Books. Wir haben nachgefragt …

rottenplaces: Andre, seit wann bist du Urban Explorer und wie bist du auf dieses Hobby gekommen?

Miedema: Seit 2009 betreibe ich dieses aufregende und interessante Hobby mit großer Leidenschaft.

rottenplaces: Was ist für dich der Reiz an vergessenen und/oder verfallenen Orten und Gebäuden?

Miedema: Für mich ist es immer eine Zeitreise. Wenn du ein Gebäude betrittst und die dortige Atmosphäre aufsaugst, dann kannst du förmlich spüren, was dort zu aktiven Zeiten passiert ist und das ist für mich der größte Reiz.

rottenplaces: Besuchst du deine ausgewählten Objekte nur um sie zu erkunden und zu fotografieren oder steckt ein tieferer Gedanke dahinter?

Miedema: In erster Linie ist es der Spaß eine Location zu besuchen und diese zu erkunden. Meine Eindrücke dann fotografisch festzuhalten und diese hinterher anzuschauen, versetzt mich wieder an den Ausgangspunkt. Dies ist meine Art, mein Vorgehen zu beschreiben.

rottenplaces: Auf deiner Webseite findet der Betrachter stumme Zeugen längst vergangener Zeiten. Erinnerst du dich noch an dein erstes Objekt, als du mit dem Hobby Urban Exploration begonnen hast – welches war das – und wie war das Gefühl, ein solches zu erkunden?

Miedema: Die erste Location, die ich besucht habe, war ein verlassenes Dorf in Spanien – genauer in Belchite/Saragossa, im Jahr 2006. Es war ein ergreifendes Gefühl mitten im Ort zu stehen und förmlich zu spüren, was dort im Jahre 1936 los war, als Franco das Dorf bombardierte. Ein ähnliches Gefühl hatte ich, als ich 2009 mit den ersten Locations in Belgien anfing. Seit dieser Zeit fuhren wir fast alle zwei Wochen dort hin. 2009 besuchte ich insgesamt 77 Locations, 2010 waren es schon rund 200.

rottenplaces: Fotografen wie du sehen auf ihren Fototouren viel Vandalismus und kriminelle Energie, die verfallenen Gebäuden arg zugerichtet hat. Teilweise sind solche, nicht nachvollziehbaren Entgleisungen der Grund für die Zerstörung und das Ende ganzer Objekte. Das Resultat sind komplexe Sicherheitsvorkehrungen der Eigentümer und harte Strafen für Fotografen, die ohne spezielle Genehmigung diese Objekte betreten. Wie ist deine Meinung zu diesem Thema?

Miedema: Als ich mit dem urbexen anfing, tauschte ich einige Locations mit anderen „Explorern“, aber als ich dann ein zweites Mal selbige besuchte und sah, wie sehr diese zerstört waren, war mir dies eine Lehre. Seitdem spreche ich ausschließlich mit solchen über neue Ziele, denen ich auch vertrauen kann und die ähnlich vorsichtig sind. Weiter muss ich nicht jede Location als Erster sehen, oder förmlich nach neuen jagen und dafür quasi alles in Kauf nehmen. Ich mache meine Fotos und habe mit der Weiterverarbeitung viel Spaß. Was andere machen, ist mit eigentlich egal.

rottenplaces: Welche Kamera(s) setzt du auf deinen Fototouren ein und was für ein Equipment wird von dir gerne bevorzugt?

Ich habe mit einer Canon 20D und zahlreichem Zubehör angefangen, doch bei einem Trip nach Spanien und Frankreich wurden wir ausgeraubt und mein ganzen Equipment war weg. Seitdem nutze ich eine Sony alpha.

rottenplaces: Du hast auf deinen Fototouren zu verlassenen Orten und Gebäuden bereits viel gesehen und erlebt. Gibt eine Location – wo auch immer – die du gerne einmal aufsuchen würdest, oder bleibst du bei einem „Liebling“, der immer wieder besucht wird?

Miedema: Ich bevorzuge alte russische Militärliegenschaften. Diese besuche ich aber kein zweites Mal, es sei denn, ich bin mit jemandem unterwegs, der noch nicht dort war. Man kann es nicht ertragen, was die Zeit aus diesen Objekten macht, nachdem man dort war. Daher sind die Bilder von meinem jeweiligen ersten Besuch fest in meinem Kopf verankert und das ist gut so.

rottenplaces: Du bist Herausgeber des DUM (Dutch Urbex Magazine). Was hat dich dazu bewegt, ein eigenes Urbex Magazin herauszugeben und was genau findet der Interessierte im DUM?

Miedema: Es gibt zu viel negative Vorkommnisse und Öffentlichkeit in unserem Hobby. Die meisten Fotografen halten sich an den Kodex und verschaffen sich nicht gewaltsam Zutritt in Gebäude und nehmen nichts mit oder verändern nichts – und das möchte ich der Welt mitteilen, vor allem den Kritikern. Jenen, die in das Hobby einsteigen, möchte ich mitteilen, dass es auch anders geht, harmonischer und respektvoll im Umgang miteinander, auch was die Locations angeht. Wir sind gegen Vandalismus und das soll auch jeder in den Magazinen lesen und sehen. Im DUM findet der Leser interessante Berichte und natürlich eine Menge Fotos. Auf dem Papier wirkt ein Foto aussagekräftiger und deshalb gibt es das DUM auch als Printversion. DUM 8 verkaufte sich bisher 40 Mal, für die neue Ausgabe erhoffe ich mir 100 Ausgaben. Da der Download und das online Betrachten kostenlos ist und die neue Ausgabe bald kommt, wünsche ich mir rund 4.000 Downloads, das wäre toll.

rottenplaces: Du betreibst das Forum urbexnederland.nl, welches zu den reichweitenstärksten in den Niederlanden gehört. Wenn du zurückblickst auf den Start des Forums und bis heute eine Bilanz ziehst, was hat sich in den letzten Jahren in der Urban-Exploration-Szene getan und/oder verändert?

Miedema: Wir sind dabei einen Unterschied zu machen mit Urbexnederland in Holland. Es gibt viel Streit unter Urbexern – was wohl an Missgunst, Neid und anderen Dingen liegt – aus diesem Grund haben wir einen Filter im System, der nur die aufrichtigen und seriösen Urbexer nach gewisser Zeit in höhere Kategorien und Gruppen setzt. Dasselbe möchten wir mit anderen Foren auch machen und diese speziellen Gruppen zusammenführen. Viele Szenekundige auf der Welt betreiben das Thema Urban Exploration professionell und investieren dafür viel Zeit, dies wollen wir nutzen.

rottenplaces: Was gibt es demnächst von Andre Miedema zu lesen, sehen oder hören, bzw. wie lauten deine Zukunftspläne?

Miedema: Ich möchte eine weltweite Gruppe starten. Wir sind auch schon weit vorangeschritten, befinden uns mitten in der Planungsphase, erste Schritte wurden bereits realisiert. Für das DUM 10 wird es mehr internationale, attraktive Artikel und Berichte geben – dafür investiere ich viel Zeit und Arbeit. Auch für das Projekt Urbexworld (UW) wird es viele Neuigkeiten geben, der Support um dieses Projekt herum ist sehr wichtig und die Resonanz und Unterstützung bisher schon beachtlich. Mitglieder sollen sich weltweit untereinander helfen und unterstützen, beispielsweise wenn sie in gewissen Ländern inhaftiert oder sonstige Probleme mit der Polizei oder dem Gesetz bekommen. Jedes Mitglied von UW hat in dem Land, wo es zu einem „Vorfall“ kommt, einen Ansprechpartner, der beim Dolmetschen helfen und nützliche Unterstützung leisten kann, um nur einen Vorteil zu nennen. Weiter wird es eine Blacklist geben, auf der Personen gelistet sind, die durch welche Art auch immer, negativ in der „Szene“ aufgefallen sind. Dies alles klingt ehrgeizig, aber wir haben genug Zeit, diese Projekte zum Erfolg zu führen, egal wie lange es dauert. Bei all diesen Vorhaben soll nicht alles kommerzialisiert und vergrößert, sondern die bestehende Gemeinschaft gestärkt und ausgebaut werden. Urbexer müssen als eine Einheit zusammenhalten – ich strebe eine Gemeinschaft an, wo Menschen mit den gleichen Visionen und Wünschen zusammengebracht werden.

Wir danken Andre Miedema für das Interview.
Das Interview führte André Winternitz.

Vorheriger ArtikelSchuhfabrik Voigt
Nächster ArtikelVideo: Kaserne Vogelsang
André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.